Der Gitano. Abenteuererzählungen
unten in ein Becken, welches übersäet ist von haarscharfen und nadelspitzen Steinblöcken. Mit sausender Hast schießen wir dem Thore zu. Die Ruder werden eingezogen. Jetzt sind wir in dem furchtbaren Loche, dessen Wände uns zu beiden Seiten so nahe sind, daß wir sie mit den Händen erreichen können. Als wolle es uns hinaustreiben in die Luft, so schleudert uns die rasende Gewalt der Strömung über die sprühenden Kämme des Falles hinaus; wir stürzen hinab in den Schlund des Kessels; es brodelt, spritzt, rauscht, tobt, donnert und brüllt um uns her, als wären die Geister von tausend Höllen losgelassen – – da packt es uns wieder mit unwiderstehlicher Macht und reißt uns eine schiefabfallende Ebene hinab, deren Wasserfläche glatt und freundlich vor uns liegt, aber gerade unter dieser Glätte die gefährlichste Tücke birgt, denn wir schwimmen nicht, nein, wir fallen, wir stürzen mit rapider Vehemenz die abschüssige Bahn hinab, und –
»Allah kerihm, Gott ist gnädig!« tönt jetzt die schrille Stimme Hassans. »An die Ruder, an die Ruder Ihr Männer, Ihr Helden! Seht Ihr den Tod denn nicht vor Euch? Amahl, amahl, ja Allah amahl, macht, macht, bei Gott, macht, Ihr Hunde, Ihr Feiglinge, Ihr Söhne, arbeitet, arbeitet, Ihr Männer, Ihr Tapfern, Ihr Helden!«
Wir schießen einer Scheere zu, welche sich gerade vor uns öffnet und uns im nächsten Augenblicke vernichten muß. Die Felsen sind so scharf und der Fall des Stromes so reißend, daß von dem Schiffe kein handgroß Holzes beisammen bleiben kann.
»Allah ja sahtir, o Du Bewahrer, hilf! Links, links, Ihr Hunde, Ihr Söhne von Hunden, Ihr Enkel von Hundesöhnen, links, links mit dem Steuer, Ihr Braven, Ihr Herrlichen, Ihr Unvergleichlichen! Allah, Allah! Maschallah, Gott sei Dank!«
Das Schiff hat den fast übermenschlichen Anstrengungen gehorcht und ist vorübergeflogen. Auf einige Augenblicke befinden wir uns im ruhigen Fahrwasser und Alles stürzt auf die Kniee, um dem Allmächtigen zu danken.
»Eschhetu inn la il laha il Allah!« tönt es jubelnd über das Deck. »Bezeuget, daß es nur einen Gott giebt! Sellem aaleïna be baraktuk, begnadige uns mit Deinem Segen!«
Da kommt es hinter uns hergeschossen, wie von der Sehne eines Bogens geschnellt. Es ist der Sandal, welcher dieselben Gefahren hinter sich hat, wie wir. Seine Schnelligkeit ist jetzt wieder größer als die unsrige, und er muß an uns vorüber. Aber das offene Fahrwasser ist so schmal, daß wir nur mit Mühe auszuweichen vermögen, und fast Bord an Bord rauscht er vorbei. Am Maste lehnt Abrahim-Arha, die Rechte hinter sich versteckend. Mir gerade gegenüber reißt er die verborgen gehaltene, lange arabische Flinte an die Wange – ich werfe mich nieder – die Kugel pfeift über mich hinweg – und in der nächsten Sekunde ist der Sandal uns weit voran.
Alle haben den Meuchelversuch gesehen, aber Niemand hat Zeit zur Verwunderung oder zum Zorne, denn wieder packt uns die Strömung und treibt uns in ein Labyrinth von Klippen. Eben will ich einmal nach der Kajüte, um mich von dem Befinden Leïlets zu überzeugen, als mich ein lauter Schrei zurückblicken heißt.
Der Sandal ist an einen der Felsen gerannt und von der Gewalt des Stoßes ein Mensch über Bord geworfen worden. Die Schiffer schlagen die Ruder in die Fluth und das nur leicht beschädigte Fahrzeug schießt, von den Wogen erfaßt, wieder frei davon. Aber der Herabgestürzte hängt im Wasser, sich verzweiflungsvoll an die Klippe klammernd. Ich ergreife einen der vorhandenen Dattelbaststricke, eile an das Seitenbord und werfe ihn dem Bedrohten zu – er faßt darnach, ergreift ihn und wird emporgezogen – – es war Abrahim-Arha.
Glücklich auf dem Decke angekommen, schüttelte er das Wasser aus dem Gewand und stürzte dann mit geballten Fäusten auf mich zu. Aber, wie sich besinnend, hielt er mitten in dieser Bewegung inne, drehte sich ab und eilte nach der Kajüte. Aber ehe er den Eingang noch erreicht hatte, stand ich schon vor demselben.
Die Stromschnelle war in ihren gefährlichsten Stellen glücklich durchschifft, und wir konnten uns nun mit der nöthigen Muße unserer Privatangelegenheit zuwenden. Aber wie es schien, sollte mir das Handeln jetzt noch erspart bleiben, denn Omar war herbeigesprungen, riß den Gegner beim Genicke zurück und hielt ihm die gespannte Pistole entgegen.
»Abrahim-Arha, vergissest Du, daß ich der Diener meines Gebieters bin und den Zugang zu seinem Harem zu behüten habe?«
»Hinweg
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