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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mit Euch, Ihr Räuber! Allah möge –«
    »Abrahim-Arha, schweige, sonst ist Deine Seele im nächsten Augenblicke da, wo die Bürger der Hölle wohnen. Beim Barte des Propheten, ich scherze nicht!«
    Mein guter Omar fühlte sich in seinem Amte gekränkt, und wenn dies der Fall war, so gab es keinen energischeren Kopf als ihn. Abrahim mochte das erkennen und trat zurück. Er stand hier allein Zweien gegenüber und war klug genug, den Kampf einstweilen aufzugeben. Aber in jedem seiner Züge war der unumstößliche Entschluß zu lesen, ihn bei der nächsten Gelegenheit mit doppelter Kraft wieder zu beginnen. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, wandte er sich ab und nahm auf einem der Sennesblätterpackete Platz, welche, da der Raum die ganze Ladung nicht gefaßt hatte, auf die Planken des Verdeckes befestigt worden waren.
    Am nächsten Landeplatze mußten die oberhalb der Stromschnelle eingenommenen Schiffer wieder an das Land gesetzt werden. Unsere Dahabïe wandte sich deshalb dem Ufer zu. Doch gebot ich dem Reïs, keine Zeit zu verlieren und sofort wieder abzustoßen. Obgleich er seinen Leuten gern die nach der gehabten Anstrengung so nothwendige Ruhe gegönnt hätte, war er doch bereit, auf meinem Wunsch einzugehen, wurde aber leider davon abgehalten; denn als wir uns dem Ufer näherten, kam uns ein Boot entgegengerudert, welches von finsterblickenden Männern besetzt war, die sofort zu uns an Bord stiegen. Es waren Khawassen – Polizisten.
    Die Bemannung des Sandal, welcher hier gelandet war, um die erlittene Beschädigung auszubessern, hatte von dem Frauenraube erzählt, und so durfte ich mich über den unliebsamen Besuch nicht wundern. Zudem war der fürtreffliche Chalid Ben Mustapha eilenden Fußes zum Richter gesprungen und hatte eine so wohlgesetzte Rede gehalten von dem ungläubigen Mörder, Räuber, Aufrührer und Empörer, daß ich sehr zufrieden sein mußte, mit dem Köpfen oder Säcken davonzukommen.
    Da die Gerechtigkeit in jenen Ländern von der wichtigen Institution der Actenstöße noch keine Ahnung hat und deshalb sehr schnell und summarisch verfährt, so wurden wir sammt und sonders in Beschlag genommen und sofort »anhero transportirt.« Selbst Leïlet, tief verschleiert, wurde in eine Sänfte genöthigt und mußte unserem Zuge folgen, der bei jedem weiteren Schritte größer wurde, weil Jung und Alt, Groß und klein sich ihm anschloß. Doch noch im Vorübergehen rief sie mir einige Worte in italienischer Sprache zu, welche alle meine Befürchtungen sofort verscheuchten:
    »Ich bin eine Christin und von ihm gewaltsam entführt worden!«
    Welcher Grund sie bisher auch veranlaßt haben mochte, zu schweigen, jetzt erkannte sie, daß diese Mittheilung nothwendig und von größtem Vortheile für mich sein müsse. Aber wie kam sie zu dem Italienisch – wer und woher war sie?
    Der Sahbeth-Bei oder Polizeidirektor saß mit seinem Sekretair schon unserer Ankunft gewärtig.
    Er trug die Abzeichen eines Majors, sah aber weder sehr kriegerisch noch überhaupt übermäßig intelligent aus. Wie die Bemannung des Sandal schien auch er den verunglückten Abrahim-Arha für ertrunken gehalten zu haben und behandelte jetzt den vom Tode Auferstandenen mit einem Respekte, aus welchem ich auf die Furcht schließen konnte, in welche sich der frühere Hedjahn-Bei zu setzen gewußt hatte.
    Nachdem er diesem eine Pfeife angeboten, welche natürlich auch angenommen wurde, begann die Verhandlung mit dem Berichte, welchen Abrahim über das Geschehene machte. Ich hatte mich auf den Divan niedergelassen, von welchem ich mich trotz der Aufforderung des Sahbeth-Bei auch nicht wieder erhob.
    Nach beendigtem Vortrage des Anklägers wandte sich der Mann der Polizei zu mir:
    »Was hast Du zu den Worten des Arha, den Allah beschützen möge, zu sagen, Franke?«
    »Nichts.«
    »Du giebst also die Wahrheit Dessen, was ich gehört habe, zu?«
    »Ja.«
    »Gut. Du bist schuldig und wirst nachher Deine Strafe vernehmen!«
    Sich zu Omar wendend, fuhr er in seinem zornigsten Tone fort:
    »Weißt Du, was Dich erwartet, Hund von einem Sclaven? Denke nicht, daß Du unter dem Schutze dieses Ungläubigen stehest, welcher sich auf seinen Consul berufen wird! Du bist Unterthan des Großherrn – Allah mehre seine Herrlichkeit – und hast den Tod verdient. Ich werde Deine verruchte Seele vorbereiten. Khawassihn, bringt die Peitsche!«
    Die verhängnißvolle Kette mit den Lederriemen zur Bastonade wurde herbeigeholt, und die Diener der

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