Der gläserne Drache Band II (German Edition)
nachts in ihrem Zimmer in den Schlaf weinte.
Aninas Versuche, Tamira zu trösten, wurden barsch abgewiesen. Einmal fuhr Tamira die Schwester sogar wütend an:
„Was geht es dich an, wie ich mich fühle? Du bekommst doch alles, was du dir wünschst! Also lass mich in Ruhe!“
„Aber Tamira!“ sagte Anina entsetzt. „Du bist meine Zwillingsschwester und ich liebe dich! Und selbst wenn wir nicht durch unsere Fähigkeiten so eng miteinander verbunden wären, würde ich wissen, wie verzweifelt du bist. Wie könnte ich da nicht mit dir leiden?“
Da warf sich Tamira schluchzend in die Arme der Schwester. „Ach, Anina, ich will nicht mehr länger hierbleiben! Ich will zurück nachhause! Was nützt mir all der Luxus hier, wenn alle meinen, er stünde mir nicht zu, da ich nicht hierhin gehöre. Du bekommst ja selbst mit, wie die boshaften Weiber sich hinter meinem Rücken über mich lustig machen.“
„Ich werde es der Königin sagen“, sagte Anina. „Sie wird schon dafür sorgen, dass das aufhört.“
„Nein, tu das nicht!“ entgegnete Tamira. „Was sollte sie dagegen unternehmen, denn in ihrem Beisein traut sich keine, abfällige Bemerkungen über mich zu machen. Und außerdem – im Grunde ist auch sie eigentlich der Meinung, dass wir beide nicht hierher gehören.
Aber lasst nur, ich werde schon eine Möglichkeit finden, mir bei diesen bösartigen Weibern Respekt zu verschaffen.
Die Schlimmste ist Acelin , die Nichte der Königin, die es schon unter ihrer Würde empfindet, das Wort an mich zu richten. Die anderen würden mich wohl nicht so schlecht behandeln, wenn sie sich nicht bei Acelin einschmeicheln wollten.
Aber da die meisten danach streben, zu den engsten Freundinnen der Nichte der Königin zu gehören, versuchen sie, ihr zu gefallen, in dem sie über mich herziehen.
Wahrscheinlich muss ich der Rädelsführerin mal eine Lektion erteilen, die sie davon abbringt, sich weiter über mich lustig zu machen.“
„Überlege gut, was du tust!“ warnte Anina. „Acelin ist nicht Magritta, die wir entsprechend zurechtweisen konnten.
Bedenke, dass wir noch eine lange Zeit hier sein müssen, wenn du mich nicht allein hier zurücklassen willst! Es wäre nicht gut, wenn wir uns die Königin zur Feindin machen würden.“
„Mir wird schon etwas einfallen, wie ich Acelin abgewöhnen kann, über mich herzuziehen“, sagte Tamira, und in ihren Augen glomm ein hinterlistiger Funke auf. „Ich werde dich nicht allein lassen, aber ich muss irgendetwas tun, um auch mein Leben hier erträglich zu machen.“
*****
Zwei Wochen später gab es am Hof ein großes Fest zum Geburtstag des Königs.
Der gesamte Hofstaat an der langen Tafel hob die Pokale, um auf des Königs Wohl zu trinken. Da zuckte plötzlich der Ellenbogen der besten Freundin Acelins, die zu ihrer rechten Seite saß, in einer ungewollten Bewegung hoch und stieß gegen Acelins Hand. Acelins Pokal kippte, und der gesamte Inhalt ergoss sich über ihre zartgelbe Prachtrobe.
Mit einem Aufschrei sprang Acelin auf und schrie ihre Freundin an: „Du blöde Kuh, kannst du nicht aufpassen? Jetzt hast du Trampel mir das ganze Kleid ruiniert!“
Tamira, die gegenüber saß, lächelte böse. „Ist das die Sprache, die eine adelige Dame führt?“ fragte sie Anina, die neben ihr saß, so laut, dass viele es mitbekamen. „Warum plagen wir uns dann damit, die höfische Rede zu lernen? So haben wir uns nicht einmal zuhause in unseres Vaters Bauernkate unterhalten!“
Anina konnte sich kaum das Lachen verkneifen. Auch die Umsitzenden bemühten sich vergeblich, ein Grinsen zu unterdrücken, denn Acelin war aufgrund ihres hoffärtigen Wesens bei vielen unbeliebt.
Die Königin, die die Szene mitbekommen hatte, runzelte die Stirn und warf ihrer Nichte einen missbilligenden Blick zu.
Rot vor Scham und Wut drehte sich Acelin herum und eilte hinaus, nicht ohne noch mit dem schwingenden Rock einen weiteren Pokal umzustoßen, der sich nun in den Schoß ihrer Freundin ergoss.
Außer Anina hatte jedoch noch jemand mitbekommen, dass der Ellenbogenstoß nicht von ungefähr gekommen war.
Aelianos wusste nicht, ob er lachen oder böse sein sollte. Er wusste von Tamiras Problemen mit den Hofdamen und hatte im Geheimen schon längst auf etwas Derartiges gewartet.
Zwar verstand er Tamiras Zorn, aber den Mädchen war verboten, ihre Magie auf andere anzuwenden , wenn sie sich nicht in Gefahr sahen. Somit nahm er sich
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