Der gläserne Drache
eingefallen.
Jetzt aber begann ihm zu dämmern, dass seine Trägheit sich nun rächte. Jetzt musste er sich mit den Tatsachen abfinden.
War er aber erst einmal im Besitz der Macht des Drachen, würde er sich – für immer unangreifbar – nur noch seinem Vergnügen und der Ausübung seiner Macht widmen können.
So schluckte er seinen Ärger in dem Bewusstsein hinunter, dass er kurz vor Erreichen seines Ziels stand. Den Weg bis zur Höhle würde er auch mit Gepäck noch hinter sich bringen.
*****
Je höher die Sonne stieg, desto mühsamer wurde der Aufstieg. Zu der Anstrengung kamen die Hitze, die sie ausdörrte, und die dünner werdende Luft, die das Atmen erschwerte.
Besonders Romando, der an körperlicher Anstrengung nicht gewöhnt war, machte der Anstieg zu schaffen. So war er froh, dass Malux schon nach etwa drei Stunden zu einer Pause riet.
Gnädig gewährte er die Rast unter dem Vorwand, die Mädchen schonen zu wollen.
Malux wandte sich schnell ab und kramte im Gepäck, damit der Magier das Zucken in seinen Mundwinkeln nicht sah.
Die Zwillinge jedoch verzogen spöttisch die Lippen, und die Gedankenbilder, die sie sich gegenseitig sandten, drückten ihre Heiterkeit aus.
Tamira und Anina waren zwar eher zierlich, doch zäh durch die harte Arbeit auf dem Hof ihres Vaters, und hätten auch noch eine weitere Stunde ohne Klage weitergehen können.
Trotzdem waren alle froh über die Rast, denn der Aufstieg erforderte höchste Konzentration.
Das lose Geröll, das oft große Stellen des Berghangs bedeckte, gab dem Tritt keinen festen Halt und ließ alle ab und zu straucheln, wenn die Steine unter ihren Füßen wegrutschten.
Gelegentlich mussten sie Umwege machen, um einen Riss überqueren zu können oder Felsnasen zu umgehen.
Trotzdem kamen sie schneller voran, als alle gedacht hatten, und so sahen sie zur Mittagszeit den Wald bereits weit unter sich liegen.
Sie rasteten unter einem überhängenden Felsgrat, der ein wenig Schutz vor der Sonne gab. Nach etwa einer Stunde jedoch räumte Malux alles wieder ins Gepäck und erhob sich. Er wusste genau, dass eine zu lange Rast eher schädlich als nützlich gewesen wäre.
Seufzend schulterten die Zwillinge wieder ihre Bündel. Widerwillig erhob sich auch Romando, der sich gern noch etwas länger ausgeruht hätte. Doch im Augenblick überließ er Malux gern die Führung, da dieser sich als umsichtiger Bergsteiger erwiesen hatte.
Sie gingen nun über einen langen Grat, der ein großes Stück schräg am Berghang weiter aufwärts führte. Das Gehen fiel hier leichter, denn der Felsen war relativ glatt.
Die Sonne sank schon dem umgebenden Bergkranz zu, als Romando plötzlich nach oben deutete und sagte:
„Seht ihr dort oben den großen braunen Fleck am Berghang?“ Die anderen schraken zusammen, denn sie hatten seit Stunden kein Wort mehr gesprochen. Nun folgten sie mit den Augen der Richtung, in die Romando wies.
Wirklich sahen sie unterhalb eines Felsplateaus den Flecken, auf den der Magier hingewiesen hatte.
„Man kann es noch nicht genau erkennen“, fuhr Romando fort, „aber das müsste das Dornengestrüpp sein. Und dahinter auf dem Plateau dürfte sich der Eingang zur Höhle befinden. Wenn wir noch etwas höher kommen, müssten wir ihn oder besser den Stein, der ihn versperrt, sehen können. Vielleicht können wir die Stelle sogar noch heute erreichen.“
„Verzeiht, Herr! Darf ich etwas sagen?“ fragte Malux unterwürfig.
„Was ist? Rede schon!“ ranzte in Romando ihn in gewohnter Weise an.
„Wir können die Stelle, die Ihr uns gewiesen habt, vor Einbruch der Dunkelheit nicht mehr erreichen. Seht, zwischen uns und dem Plateau liegt eine tiefe Senke, die wir erst überqueren müssen. Die Entfernung zur Höhle ist größer, als es von hier aus den Anschein hat.
Wir sollten daher noch in die Senke hinabsteigen, ehe die Sonne untergeht, und uns dort einen geschützten Platz zum Schlafen suchen.
Den Rest des Weges können wir dann wohl leicht bis zum Mittag zurücklegen.“
„Na gut, dann los!“ brummte Romando. „Machen wir, dass wir in die Senke kommen!“
*****
Nach einem kargen Abendbrot verbrachten sie eine unbequeme Nacht zwischen einigen Felsen in der Senke.
Ein paar verdorrte Büsche, die wohl nur in der Zeit des Regens gedeihen konnten, wenn sich das Wasser in der Senke sammelte, lieferten ein wenig Holz für Feuer. So konnte Malux zumindest etwas Tee kochen, den
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