Der gläserne Sarg
wolle.
Collin hat unterdessen Blondie begrüßt: »Ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich da bin, Direktor. Inspector Jacklow meinte, es wäre ganz gut, wenn ich mich einmal etwas umhorchen und umsehen würde. – Aber kein Grund zur Beunruhigung. Konkrete Anhaltspunkte haben wir bedauerlicherweise immer noch nicht.«
Blondie, der, um dem Inspector die Hand zu schütteln, aufgestanden war, setzt sich wieder. »Hoffentlich gelingt es Ihnen überhaupt, den Mörder zu finden. – Nicht auszudenken, wenn solch ein Doppelmord in meinem Theater ungesühnt bliebe.«
Collin lacht beruhigend: »Die Polizei sitzt immer am längeren Hebel, Direktor. Sie braucht nur manchmal etwas Zeit, um den richtigen Ansatzpunkt zu finden. – Aber ich will Sie jetzt nicht länger stören. Vor einer Vorstellung haben Sie sicher viel zu tun.«
»Normalerweise nicht. Denn wenn ein Programm erst einmal steht, dann sorgt schon die sprichwörtliche Disziplin der Artisten dafür, daß alles wie am Schnürchen abläuft. Heute allerdings muß einiges umgestellt werden. Schließlich ist das Programm seiner Hauptattraktion beraubt. Das muß ich den Besuchern erst einmal beibringen.«
»Ich beneide Sie nicht um diese Aufgabe, Mr. Blondie«, meint Collin und wendet sich der Tür zu, die, wie er aus Jacklows Bericht weiß, direkt auf die Bühne führt. »Darf ich gleich hier raus?«
»Selbstverständlich. Sie brauchen nur mit dem Schlüssel aufzuschließen. Ich halte die Tür immer von innen verschlossen, damit niemand direkt zu mir vordringen kann. Mrs. French hat mir als Schutzschild schon gute Dienste geleistet.«
Collin will den Schlüssel umdrehen. Doch es gelingt ihm nicht. Da drückt er die Klinke herunter und – die Tür öffnet sich. Sie war nicht verschlossen.
»Offensichtlich wird Ihr Prinzip des öfteren durchbrochen, Direktor«, wendet sich Collin an Mr. Blondie, der fassungslos an seinem Schreibtisch sitzt. »Sollten Sie schon eine neue Flasche Cognac in Ihr Barfach gestellt haben, würde ich empfehlen, daß niemand daraus trinkt. Zwei Morde reichen – denke ich.«
Der Lieutenant läßt einen aufgeregten Direktor zurück. Er sieht auch nicht mehr, wie Mr. Blondie in das Sekretariat läuft und von Mrs. French eine Erklärung fordert, weshalb die Tür nicht verschlossen gewesen sei.
Collin betritt die Bühne. Das Glasbassin, in dem Joan Dhiser ertrunken ist, steht nicht mehr da. Wahrscheinlich Artistenbrauch, denkt der Polizist. Alles, was Unglück bringt oder gebracht hat, darf nicht zu sehen sein. Er fragt einen Bühnenarbeiter nach dem Umkleideraum von Jim Dhiser und findet bald darauf die richtige Türe. Auf sein Klopfen ertönt ein unsicheres »Herein«. Als Collin der Aufforderung Folge leistet, sieht er Jim Dhiser, in seinen weißen Bademantel gehüllt, auf einer Liege ruhen. Der Artist erhebt sich nicht. Nur seinen Kopf dreht er dem Lieutenant zu: »Schon wieder die Polizei. Wenn ihr so tüchtig wärt, wie ihr lästig seid, müßtet ihr den Mörder schon lange haben.«
»Unsere Stunde wird schon noch kommen, Mr. Dhiser«, meint Collin begütigend. »Ich wollte Ihnen auch nur ›Guten Tag‹ sagen und Ihnen viel Glück für die Vorstellung wünschen. Es muß ja nicht leicht für Sie sein, heute abend aufzutreten.«
»Sie zeigen ja Herz«, spottet Dhiser grimmig. »Und ich dachte mir …«
»Überlassen Sie das Denken uns«, unterbricht Collin, schärfer als nötig. »Ich bin jedenfalls nicht zu meinem Vergnügen hier. Und niemand sollte das mehr würdigen können als Sie. Schließlich geht es darum, den Mord an Ihrer Frau aufzuklären. Und wenn Sie uns keine Märchen auftischen würden, gelänge es uns vielleicht schneller, den Giftmischer zu finden.«
»Märchen? – Was soll das, Lieutenant? – Ich verbitte mir, daß Sie mich beschuldigen.« Dhiser ist erregt von der Liege gesprungen und steht vor dem Lieutenant.
Der nimmt die rechte Hand des Artisten, die seinen Jackenkragen umkrampft hält, behutsam weg. »Sie brauchen sich nicht künstlich hochzupumpen, Mr. Dhiser. Ich kann belegen, was ich sage. – Sie erklärten meinem Chef noch vor wenigen Stunden, Ihre Frau wäre gestern nachmittag zu Hause gewesen, Sie hätte sich hingelegt …«
»Na und? – Soll das etwa nicht stimmen? Ich bleibe dabei.«
»Ihre Frau war gestern nachmittag bei Bob Rint. Und sie stattete ihm nicht nur einen Höflichkeitsbesuch ab …«
Collin kann sich gerade noch zur Seite werfen. Denn mit einem Aufschrei ist der stämmige Artist auf ihn
Weitere Kostenlose Bücher