Der gläserne Sarg
losgestürmt. »Sie lügen … Sie gemeiner Bulle …«
Doch sofort nach diesem Ausbruch hat sich Dhiser wieder in der Gewalt: »Das werden Sie mir beweisen müssen …«
»Das kann ich, Mr. Dhiser. Ich habe eine Zeugin, die Ihre Frau gestern nachmittag bei Bob Rint in dessen Wohnung gesehen hat.«
»Wann soll das gewesen sein?«
»Zwischen sechzehn Uhr dreißig und achtzehn Uhr dreißig.«
»Da war ich hier im ›Globe‹ und habe mit Miß Whyler trainiert. Also habe ich nicht gelogen. Meine Frau war jedenfalls noch zu Hause, als ich wegging. Aber ich kann nicht glauben, daß sie sich immer noch mit ihm traf.«
»Daran besteht keinerlei Zweifel – leider, Mr. Dhiser.« – Und nach einer Pause: »Haben Sie das wirklich nicht gewußt?«
»Nein, sie ist doch zu mir zurückgekehrt … Sie hat mir geschworen, ihn nie mehr wiedersehen zu wollen … Wir hatten einen neuen Anfang gemacht … Mein Gott …«, Dhiser schlägt die Hände vors Gesicht, »wir waren doch so glücklich.« Ein Zittern geht durch den Körper des Artisten. Hilflos zusammengekauert sitzt er da. Dann wendet er sich hoffnungsvoll an den Lieutenant: »Vielleicht wollte sie nur endgültig ihren Abschied von ihm machen. – Er hat sie sicher bedrängt … Sie ist nur zu ihm gegangen, um ihm noch einmal klipp und klar zu sagen, daß es endgültig aus ist …«
»Ich muß Ihnen leider auch diese Vermutung zerstören, Mr. Dhiser. Ihre Frau und Bob Rint sprachen nicht nur miteinander … Ich möchte fast sagen, sie sprachen sehr wenig … Wenn Sie wissen, was ich meine …«
»Verflucht soll sie sein …« Diese Worte kommen spontan. Doch sofort hält der Artist inne. »Sie dürfen das nicht mißverstehen. Ich hatte wirklich keine Ahnung. Ich habe dem Inspector über unser neues Glück die Wahrheit gesagt. Ich habe bis zu Ihrem Kommen geglaubt, daß meine Frau zu mir zurückgekehrt sei. – Aber selbst wenn ich das gewußt hätte – ich hätte nie den Mut gehabt, sie und Bob Rint umzubringen. Artisten sind nur während ihres Auftritts Helden.«
»Aber in Künstlerkreisen ist Eifersucht unbarmherziger als im normalen Leben, habe ich mir sagen lassen«, ergänzt Collin.
»Sie überschätzen mich, Lieutenant«, wehrt Dhiser ab. »Ich bin nur ein kleiner Drahtseilkünstler. Joan war in unserer Verbindung die Beherrschende.«
»Auch finanziell?« Diese Frage war instinktmäßig gekommen, Collin hatte nicht überlegt.
»Richtig – auch finanziell. Ich kann es ruhig zugeben, Lieutenant. Der Direktor müßte Ihnen ja sowieso, wenn Sie darauf bestehen, die Gehaltslisten vorlegen. – Ja, Joan hat ungefähr das Doppelte verdient wie ich.«
»Dann erleiden Sie durch den Tod Ihrer Frau auch einen finanziellen Verlust?«
Es entgeht Collin nicht, daß sein Gegenüber mit der Beantwortung etwas zögert.
»Ja, wie soll ich sagen? – Wenn Sie die monatlichen Einkünfte meinen, dann ist es richtig.«
Und wieder entsteht eine Pause.
Collin fühlt, daß er nachbohren muß: »Was wollen Sie mit dieser Einschränkung sagen?«
»Meine Frau hatte – eine Lebensversicherung; die werde ich nun wohl ausgezahlt bekommen.«
»Und wie hoch ist die Summe?«
»Zweihundertfünfzigtausend Dollar.«
Collin erstarrt: »Mr. Dhiser, wissen Sie, daß Sie durch diese Tatsache zum Hauptverdächtigen werden?«
»Ist mir bewußt. Warum, glauben Sie, habe ich so gezögert? Aber die Versicherung wurde schon vor zwei Monaten abgeschlossen. Übrigens, zu gleicher Zeit ließ auch ich mich zugunsten meiner Frau versichern – mit derselben Summe. Das sollte Ihnen doch wohl zeigen, daß es eine gegenseitige Vorsichtsmaßnahme war.«
»Das mag zutreffen, muß aber nicht so sein … Mr. Dhiser, es ist Ihnen doch klar, daß ich das dem Inspector mitteilen muß?«
»Natürlich. – Aber da mein Gewissen rein ist … Was kann es an der Sachlage schon ändern?«
»Ich wünsche Ihnen, daß nicht noch mehr solcher Verdachtsmomente zum Vorschein kommen, Mr. Dhiser. Es könnte sonst unangenehm werden für Sie.«
Der Artist zuckte mit den Schultern.
»Schließlich wäre ich wohl nicht der erste, der einem Irrtum der Polizei zum Opfer fiele, oder …?«
Collin erspart sich die Antwort, indem er schnell den Raum verläßt.
Er kennt sich jetzt schon so gut im Theater aus, daß er ohne fremde Hilfe auf dem kürzesten Weg das Zimmer der Sekretärin findet. Ohne anzuklopfen tritt er ein. Mrs. French ist offensichtlich gerade damit beschäftigt, ihren Schreibtisch aufzuräumen.
Sie blickt
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