Der gläserne Sarg
Whyler offensichtlich verschwunden ist.«
Collin berichtet knapp und sachlich. Und an den Schluß hängt er die Nachricht von der Lebensversicherung, die Jim Dhiser für seine Frau abgeschlossen hat.
»Na, Mike, es hat sich ja doch gelohnt, daß Sie Ihre Freizeit geopfert haben. – Aber was soll ich jetzt bei der ganzen Geschichte tun?«
»Vielleicht eine Fahndung nach Miß Whyler …«
»Mensch, Collin«, unterbricht Jacklow, »das ist doch nicht Ihr Ernst. Ich alarmiere alle Polizeidienststellen im ganzen Land und dann kommt die Dame vielleicht etwas später in das Theater spaziert und erklärt, ihre Uhr sei stehengeblieben. Offensichtlich passiert das ja nicht zum erstenmal.«
»Dennoch …«
»Nein, Lieutenant, wenn Miß Whyler bis morgen früh nicht wieder aufgetaucht ist, bin ich sofort bereit, die Fahndung rauszugeben. Aber keine Minute früher. Ich blamiere mich doch nicht vor dem Chief-Inspector.«
»Okay, Sir. Aber lassen Sie dann doch morgen früh auch mal das Konto von Mr. Dhiser überprüfen …«, und Collin nennt Nummer und Bank.
»Einverstanden, Lieutenant. Sie haben gut gearbeitet. Am besten, Sie legen sich jetzt auch aufs Ohr, und wir treffen uns dann morgen um zehn Uhr wieder in meinem Büro. Scheint ja einen aufregenden Tag zu geben.«
Collin legt auf. Draußen tritt er zu Mrs. French. »Ich bin entlassen …«
Und erst als sie ungläubig ihr Gesicht verzieht, fährt er schmunzelnd fort: »… in Gnaden für heute abend. Das heißt, daß ich ab jetzt außer Dienst bin und Sie einladen kann. Wie wär's mit einem kleinen Drink? Irgendwo in einer gemütlichen Bar?«
»Ob ich mich Ihnen als Privatmann anvertrauen kann? – Na, ein Risiko muß man im Leben ja wohl immer eingehen. Kommen Sie mit. Bei mir um die Ecke gibt es eine kleine Kneipe. Sie wird Ihnen sicher gefallen. – Ich muß nur noch meine Tasche aus dem Büro holen.«
Als sie dort eintreten, haben sich Blondie, Carter und Dhiser schon auf den zweiten notwendigen Programmwechsel geeinigt.
»Mr. Dhiser wird alleine auftreten«, erklärt der Direktor dem Polizeibeamten. »Er hat schon seit Monaten an einer Solonummer geübt. Als ob er geahnt hätte, was ihm Peggy heute antut …«
»Mir schien vorhin, als sei Mr. Dhiser überzeugt, daß Miß Whyler noch kommt …«, stellt Collin fragend fest.
»Bin ich auch«, antwortet Jim Dhiser hastig. »Aber als Artist kalkuliert man alles ein …«
»Auch den Mord an Ihrer Frau, wie die vorsorglich abgeschlossene Lebensversicherung beweist«, fährt Collin lakonisch fort. »Jedenfalls stelle ich fest, daß ich hier nicht mehr benötigt werde. Das Krisenkommando funktioniert ja ausgezeichnet. Da kann ich der heutigen Vorstellung nur noch Erfolg wünschen.«
Der Lieutenant packt Mrs. French am Arm und verläßt schnell den Raum.
So hört er auch nicht mehr, wie Blondie, Carter und Dhiser seinen Abgang kommentieren.
Etwa zur gleichen Zeit nimmt Peggy Whyler als Mrs. Betty Franklin ein Apartment im Sunshine-Motel. Sie gibt an, noch ihren Mann zu erwarten. Das wird – nachdem sie die Rezeption wieder verlassen hat – vom Portier mit dem verständigen nachsichtigen Lächeln quittiert, das man in solchen Fällen allein anreisenden Damen entgegenbringt.
14.
Das Lokal, in das ihn seine Begleiterin führt, sagt Michael Collin auf den ersten Blick zu.
Es ist im Stil eines französischen Bistros gehalten; an kleinen runden Tischen sitzen angenehm wirkende Gäste. Das Licht ist sehr gedämpft, an der Längsseite steht ein Klavier, auf dem ein farbiger Student gerade ›When the Saints go marchin' in‹ variiert.
»Wie haben Sie denn diesen Auftritt inszeniert?« fragt der Lieutenant seine Führerin.
»Wollen Sie etwa damit sagen, daß Sie zu den Heiligen gehören?«
»Ich? Keineswegs. Ich ging davon aus, daß der Text auf Sie Bezug nimmt.«
»Danke, gut pariert«, stellt sie anerkennend und gutgelaunt fest.
Collin steuert auf einen freien Tisch in einer Ecke zu.
Bald danach steht vor ihm ein ›Whisky sour‹. Cathy French hat einen ›Manhattan‹ gewählt.
»Offensichtlich gehen Sie oft aus«, forscht Collins.
»Es hält sich in Grenzen«, entgegnet sie mit leiser Stimme, in der ein trauriger Unterton schwebt.
»Sie schwindeln. Um eine Frau wie Sie müssen die Männer ja wie die Bienen um den Bienenstock schwirren.«
»Ich bin nicht gerade auf Eroberungen aus. Sie haben ja bestimmt von Mr. Jacklow erfahren, daß ich ein gebranntes Kind bin. Eine solche Erfahrung reicht
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