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Der gläserne Schrein (German Edition)

Der gläserne Schrein (German Edition)

Titel: Der gläserne Schrein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Schluss etwas, das er nicht zu deuten wusste. War es Freude?
    Marysas Herz überschlug sich fast. Sie konnte kaum glauben, was er da gerade gesagt hatte. Meinte er es ernst? Ein Teil von ihr wünschte es sich, ein anderer Teil – der, der sich noch immer von ihm hintergangen fühlte – wehrte sich dagegen. Der Mann neben ihr war ein Betrüger, versuchte sie sich zur Vernunft zu bringen. Er war daran gewöhnt, die Menschen nach Strich und Faden zu belügen und in eine Rolle zu schlüpfen, die ihm gerade zupasskam. Hatte sie nicht schon immer den Eindruck gehabt, dass er fähig war, sich zu häuten wie eine Schlange? Welchen Grund sollte er haben, zu behaupten, er würde sie lieben? Sie biss sich auf die Lippen. «Was willst du von mir?»
    Christophorus antwortete nicht sofort. Ihre Stimme hatte abweisend geklungen, so als fürchtete sie, verletzt zu werden. Das schmerzte ihn mehr, als er sich hätte vorstellen können. «Ich …» Er zögerte. Ihre Frage war berechtigt. «Ich will dich», sagte er schließlich zum dritten Mal an diesem Abend.
    Marysa drehte den Kopf zur Seite und starrte an die Wand. «Wie stellst du dir das vor?», fragte sie und bemühte sich dabei um einen kühlen Ton. Ihre Stimme zitterte wieder. «Willst du dir jetzt vielleicht auch noch selbst einen Dispens schreiben?»
    Christophorus stieß einen verblüfften Laut aus. «Nein, Marysa, ganz gewiss nicht. Ich mag ein geübter Betrüger sein, aber auf so eine Idee würde nicht einmal ich kommen.» Sanft berührte er ihre Wange und brachte sie dazu, ihn wieder anzusehen. «Es gibt einen anderen Weg, aber dazu musst du mir vertrauen – und ich dir.»
    Marysa konnte sich der Intensität seines Blickes nicht entziehen, aber in ihrem Herzen rangen heftige Zweifel mit dem Wunsch, ihm zu glauben. «Ich weiß nicht, ob ich das kann», antwortete sie ihm deshalb wahrheitsgemäß.
    Ihre Worte schnitten Christophorus wie ein scharfes Messer ins Fleisch. Er nickte verständnisvoll. «Ich weiß», sagte er und küsste sie zärtlich erst auf die Lippen, dann auf ihr seltsam geformtes Feuermal. «Ich weiß.» Seine Stimme war jetzt nur noch ein Hauch, der leicht über ihren Leib hinwegstrich und ihr eine Gänsehaut bereitete. Flüchtig dachte sie daran, ihn aufzuhalten, doch wieder sprach ihr Körper eine ganz andere Sprache. Während seine Lippen und Fingerspitzen auf ihrer Haut erneut ein Feuer entfachten, entglitten ihr alle klaren Gedanken und verflüchtigten sich schließlich ganz, als er sich mit ihr vereinigte.

37. KAPITEL
    «Ihr sollt sofort zu Euren Eltern in die Kockerellstraße gehen, Herrin», empfing Jaromir Marysa, als diese am folgenden Vormittag das Haus betrat. «Frau Jolánda war heute schon ganz früh hier und hat uns ausgerichtet, dass Meister Goldschläger gestern Abend nach Hause gekommen ist.»
    Marysa, die sich gerade aus ihrem Mantel schälte, hielt überrascht inne. «Sie haben ihn freigelassen? Geht es ihm gut?»
    Jaromir hob die Schultern. «Ich glaube ja. Außerdem sollt Ihr auch umgehend ins Zunfthaus der Schreiner kommen. Zunftgreve Alberich will mit Euch sprechen …»
    «Ich bin schon unterwegs», unterbrach sie ihn aufgeregt und warf sich den Mantel wieder über.
    Christophorus, der hinter ihr ins Haus getreten war, behielt seinen Umhang gleich an. «Ich begleite Euch, Frau Marysa.»
    Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und musste sich sehr zusammenreißen, eine gleichgültige Miene zu bewahren. «Also gut, gehen wir. Milo, du hilfst Jaromir bei der Arbeit», ordnete sie an. «Gebt bitte Balbina Bescheid, dass wir über Mittag in der Kockerellstraße bleiben werden.»
    So rasch es die von Schneematsch und Eis bedeckten Straßen zuließen, eilten Marysa und Christophorus den Weg zurück, den sie gekommen waren.
    «Was das wohl zu bedeuten hat?», fragte sie, während sie den Kaxhof überquerten.
    «Vielleicht hat Hyldeshagen seine Anklage zurückgezogen», vermutete Christophorus. «Oder sie haben den wahren Schuldigen bereits gefasst.»
    «So plötzlich?», zweifelte Marysa. Sie war ganz außer Atem, als sie nur wenig später vor dem Haus in der Kockerellstraße haltmachten. Noch bevor sie anklopfen konnte, flog die Tür auf, und Jolánda stürzte auf sie zu. «Marysa, Kind, wie bin ich froh, dass du da bist!» Sie lachte und weinte gleichzeitig. «Wir dachten schon, euch sei in dem Sturm gestern etwas zugestoßen.»
    Beim Gedanken an den vergangenen Abend schoss Marysa die Röte in die Wangen, doch sie versuchte, sich

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