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Der gläserne Schrein (German Edition)

Der gläserne Schrein (German Edition)

Titel: Der gläserne Schrein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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dachten, er sei dort am besten aufgehoben.» Mit dem Daumen fuhr Christophorus sanft über Marysas Fingerknöchel. «Wir haben uns nie wirklich gut verstanden, Robert und ich», fuhr er fort. «Wir waren zu verschieden, und das ist eher selten bei Zwillingen.» Wieder lächelte er. «Man sagt, Zwillinge würden sich eine einzige Seele teilen. Keine Ahnung, ob das in unserem Falle auch so ist. Ich sah ihn in den darauffolgenden Jahren nur selten, aber er schien sich im Konvent äußerst wohl zu fühlen und legte schon mit fünfzehn sein ewiges Gelübde ab. Wie wir erfuhren, nahm er dabei einen neuen Ordensnamen an – Christophorus, nach dem Heiligen, an dessen Gedenktag wir geboren sind.»
    Marysa blinzelte überrascht. «Er nahm deinen Namen an?»
    «Er wählte den Namen, den er schon immer gern getragen hätte», bestätigte Christophorus. «Schon als wir klein waren, fragte er mich, ob wir nicht die Namen tauschen könnten. Meine Mutter fand das ungeheuerlich. Bei den Dominikanern wurde ihm sein Wunsch endlich erfüllt.»
    «Und weshalb …» Marysa zögerte. «Aldo schrieb in seinem Brief, wenn du mir von Robert erzählst, würde ich verstehen, weshalb du …»
    «Weshalb ich zu einem umherziehenden Betrüger geworden bin?» Christophorus hob ihre Hand an seine Lippen, dann blickte er ihr wieder ins Gesicht. «Das ist eine unschöne Geschichte.»
    Marysas Augen verdunkelten sich eine Spur. «Ich will es wissen.»
    Er nickte. «Das sollst du auch, und so, wie die Dinge jetzt stehen, musst du es sogar.» Unvermittelt beugte er sich vor, um sie sanft auf die Lippen zu küssen, dann sprach er weiter: «Als ich sechzehn wurde, legte ich meine Gesellenprüfung als Tischler ab. Kurz darauf wollte ich auf Wanderschaft gehen, aber dann starben meine Eltern …» Er brach ab und schloss für einen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete, konnte man seine Trauer an ihnen ablesen.
    Marysa hatte Christophorus bisher unverwandt angesehen. Als sie in seine Augen blickte, zog sich ihr Herz schmerzlich zusammen.
    Christophorus schwieg, dann schüttelte er den Kopf. «Ich muss weiter ausholen», sagte er. «Mein Vater war ein guter Tischler, aber in der Frankfurter Zunft nicht sehr angesehen, weil er manchmal Geschäfte mit den Juden machte. Mit einem von ihnen, Lehel Rotstein, war er sogar recht gut befreundet. Es kam damals wiederholt zu Anschlägen auf das Judenviertel. Vater verteidigte Meister Lehel, wenn die Leute ihn schmähten. Er stand ihm eines Tages bei, als ein wütender Mob Meister Lehels Haus angriff. Danach wurde Vater von einigen Zunftmitgliedern geschnitten, später auch beschuldigt, mit den Juden unter einer Decke zu stecken. Eines Tages rottete sich eine wütende Meute zusammen und drang in unsere Werkstatt ein. Ich weiß nicht, wie es genau passierte, doch irgendwie brach Feuer aus.»
    Marysa stieß einen entsetzten Laut aus, unterbrach ihn aber nicht.
    «Mutter lag an jenem Tag krank im Bett», erzählte er. «Vater wollte sie hinausbringen, doch das Feuer loderte mittlerweile so heftig, dass es ihnen den Weg nach draußen versperrte.» Christophorus hielt inne. Schließlich sagte er: «Meine Eltern verbrannten in ihrem Haus.»
    «O nein.» Marysa starrte Christophorus fassungslos an. «Hat denn niemand versucht, ihnen zu helfen?»
    Er zuckte mit den Schultern. «Den Judenfreunden?»
    «Und du?»
    «Sie hielten mich zurück. Natürlich wollte ich ins Haus laufen und meine Eltern herausholen, aber man hielt mich fest.»
    «Wie schrecklich», sagte Marysa.
    Christophorus nickte und blickte eine Zeit lang in die Ferne. Ein Ruck durchfuhr ihn, und er sah ihr wieder in die Augen. «Unsere Werkstatt war verloren, all unsere Sachen verbrannt. Ich war mit sechzehn Jahren zu jung, um Meister zu werden. Vermutlich hätte ich in Frankfurt auch keine guten Aussichten gehabt. Schließlich war ich ja der Sohn des Judenfreundes, nicht wahr?» Das Lächeln, das auf seinen Lippen erschien, wirkte grimmig. «Also trat ich in denselben Konvent ein, der schon meinen Bruder aufgenommen hatte. Ich dachte damals in meiner Trauer, dass ich dort am besten aufgehoben sei. Das Geld, das mein Vater damals bei Meister Lehel hinterlegt hatte, diente mir als Eintrittsgeld. Robert war inzwischen nicht mehr dort, sondern zusammen mit einigen anderen Brüdern auf eine lange Reise gegangen, die ihn an verschiedene Universitäten führen sollte, wo er studieren wollte. Ich lebte sieben Jahre im Frankfurter Konvent, blieb jedoch Novize.

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