Der gläserne Schrein (German Edition)
Einen Augenblick später ließ er sich neben sie gleiten und eroberte erneut ihre bereits leicht geröteten Lippen.
Sie hatte gedacht, er würde, ähnlich wie Reinold, sofort zu ihr kommen, doch stattdessen begann er, ihren Körper mit seinen Händen zu erforschen. Sie bäumte sich auf, als viele unbekannte Empfindungen gleichzeitig auf sie einströmten. Plötzlich fühlte sie seine Lippen auf ihrer Brust und meinte im nächsten Moment in dem Brennen, das sie von dort bis hinunter in ihren Schoß durchfloss, zu vergehen. Atemlos ließ sie es zu, dass er eine ihrer Brüste weiter mit Lippen und Zähnen liebkoste, während seine Hand weiter nach unten wanderte, sie zärtlich und drängend zugleich zu erforschen begann.
Christophorus fühlte sich wie berauscht von dem glühenden Feuerstrom, in den sich sein Blut verwandelt hatte. Er musste gegen den Drang ankämpfen, sich wie ein wildes Tier über Marysa herzumachen. Sie wand sich unter seinen Berührungen und drückte mit einem leisen Schrei den Rücken durch, als seine Hand an ihrem Leib hinabglitt und in ihre feuchte Hitze eintauchte.
Plötzlich riss sie die Augen auf und starrte ihn beinahe erschrocken an. Gleichzeitig spürte er, wie sie von einer Welle ihr offenbar unbekannter Empfindungen davongetragen wurde.
Er hielt ihren Blick fest und schob sich im gleichen Moment auf sie. Der Ausdruck in ihrem Gesicht brachte ihn fast um den Verstand. In ihren Augen stand jetzt eine Mischung aus Verlangen und einem Funken Angst, der jedoch in dem Moment verflog, da er seinen Mund wieder auf ihre Lippen presste. Er spürte, wie sie nachgab und ihm entgegenkam.
***
Eine geraume Weile später lagen Christophorus und Marysa dicht aneinandergedrängt auf der schmalen Matratze. Christophorus hatte seinen Kopf an Marysas Schulter gebettet und hielt sie mit seinen Armen fest umfangen. So konnte er ihren Herzschlag hören, der fast im Gleichtakt mit seinem schlug. Der Wind heulte nach wie vor um das Haus. Von der Schankstube drang ein Durcheinander von Stimmen und Gelächter zu ihnen herauf.
Marysa starrte im flackernden Schein des Lämpchens an die Decke. Niemals zuvor hatte sie sich so glücklich und zugleich so unsicher gefühlt. Der Mann an ihrer Seite, dessen kräftige Arme sie nach wie vor nicht losließen, strahlte jetzt, da die erste Feuersbrunst vergangen war, Ruhe und Kraft aus, an der sie sich gerne festgehalten hätte. Sie schloss kurz die Augen, öffnete sie jedoch sogleich wieder und sah sich in der kleinen Kammer um. Was sollte nun werden? Nach allem, was sie soeben miteinander geteilt hatten, konnten sie unmöglich weitermachen wie bisher.
Christophorus spürte, dass Marysa langsam wieder ins Hier und Jetzt zurückfand, denn sie verspannte sich unbewusst ein wenig. Er konnte sich sehr gut vorstellen, was in ihr vorging, denn auch er fragte sich ernsthaft, wie sie mit der Situation umgehen sollten. Nur eines war gewiss: Er konnte und wollte sie nicht mehr loslassen. Wenn er ehrlich zu sich war, musste er zugeben, dass es schon begonnen hatte, als er vor anderthalb Jahren zum ersten Mal nach Aachen gekommen war. Damals hatte er es nicht wahrhaben wollen, hatte geglaubt, dass zeitlicher und räumlicher Abstand zwischen ihnen seine Gefühle ändern würden. Nichts dergleichen war geschehen – im Gegenteil. «Werde wieder du selbst», tönte leise Aldos Stimme in seinem Kopf. Diesmal schien ihm der Gedanke nicht mehr so abwegig.
«Ich kenne nicht einmal deinen richtigen Namen.» Marysas unvermittelte Worte rissen ihn aus seinen Gedanken. Er hob den Kopf und blickte in ihr Gesicht, welches jetzt, im flackernden Schein der Öllampe, zart, fast zerbrechlich wirkte.
«Christoph Schreinemaker», antwortete er und stützte seinen Kopf in seiner Handfläche ab. Mit der anderen Hand zeichnete er zärtlich die Kontur ihrer Brust nach. Er spürte, wie sie leicht erschauerte.
Sie umfasste seine Finger und hielt sie fest. «Und wer ist Robert?»
Einen Moment lang schwieg Christophorus, dann verschränkte seine Finger mit Marysas. «Robert ist mein Bruder», sagte er ruhig. «Mein Zwillingsbruder.»
Marysas Augen weiteten sich überrascht. Sie blickte ihn abwartend an.
Christophorus lächelte leicht. «Robert war schon als Kind ein merkwürdiger Kerl. Träumte in den Tag hinein, redete von Engeln und Heiligen. Meine Eltern dachten, er sei nicht ganz richtig im Kopf. Als wir neun Jahre alt wurden, gaben sie ihn in die Obhut des Dominikanerordens in Frankfurt, weil sie
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