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Der gläserne Wald

Der gläserne Wald

Titel: Der gläserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinald Koch
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Kameraden angetan habe!
    Unvermittelt gibt die Tür, an die ich mich presse, nach. Ich bin davon so überrascht, dass ich ins Innere des Hauses stolpere. – Jetzt ist es aus! – Diese Bewegung und mein Sturz wird den Adaporianern nicht entgangen sein. – Doch ich falle nicht. Etwas stützt mich und hält mich an Schulter und Arm fest, bis ich das Gleichgewicht wieder finde.
     
    Zenturio Altar tha Barga kniete mit gebeugtem Rücken tief im eiskalten Wasser des dritten jener sieben berühmten Brunnen, denen die Straße ihren Namen verdankte. Trotz der heftigen Erschütterungen, die längst alle Rohrleitungen hätten zerstört haben müssen, stäubte und plätscherte noch immer Wasser von den oberen Etagen herab. Mit einem Fluch wandte er sich an den Soldaten, der frierend neben ihm im Wasser hockte.
    »Elende Brühe! Kannst du etwas sehen?«
    »Nichts, Zenturio, es ist zu viel Wasser, Feuer und Staub in der Luft.«
    »Eben hab’ ich ihn noch da in der Türnische gesehen …«
    Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf die fünf adaporianischen Soldaten, die langsam näher kamen. Sie trugen braungrüne Uniformen und waren schwer mit fremdartigen Geräten beladen, so dass sie von der Last schon ganz erschöpft zu sein schienen.
    Vom herabplätschernden Wasser gedeckt, hob tha Barga die Linke, zählte lautlos bis drei und riss die Hand herunter. Das leise Schwirren der Bogensehnen ertrank in dem Chaos von Geräuschen, das die Straße füllte; jeder der fünf Adaporianer aber griff zur gleichen Zeit an die gleiche Stelle in der Magengegend, krampfte die Hände um zwei oder drei Pfeile, die dort staken, krümmte sich ächzend zusammen, brach in die Knie und fiel zur Seite.
    Tha Barga nickte und richtete sich im Wasserschleier des Brunnens auf, um besser die Straßen hinabsehen zu können. In den treibenden Dunstschwaden war keine Bewegung mehr zu erkennen.
    Trotz des kalten Wassers trieb es Altar tha Barga den Schweiß aus den Poren, als er an den Ring an seinem Finger dachte. Ich muss mich vergewissern, überlegte er. Vielleicht ist es ihm gelungen, die Tür zu öffnen und sich im letzten Augenblick im Haus zu verbergen.
    »Auf! Mir nach!« kommandierte er und setzte mit einem mächtigen Sprung über die Brunneneinfassung. Geduckt stürmte er auf den Eingang zu, in dessen Schutz noch vor kurzem Tolt gestanden hatte. Er rannte mit voller Wucht gegen die Tür. Sie flog auf, und waffenklirrend stürzte tha Barga auf die Steinfliesen der Eingangshalle. Vom eigenen Schwung getragen, schlitterte er über den glatten Boden. Dann waren seine Männer bei ihm und halfen ihm, sich aufzurichten.
    Im Haus war es stockfinster, nachdem einer der Soldaten die Tür geschlossen hatte. Der Zenturio starrte in die Dunkelheit und erwartete, dass sich seine Augen anpassen würden. Auch hier roch die Luft nach Mörtelstaub, und ein eigenartiges Knistern in der Decke und den Wänden verriet, dass das Haus auch etwas von dem Beschuss abbekommen haben musste.
    »Die Halle hat keine Fenster«, sagte einer der Soldaten. »Wir können Licht machen.«
    »Nein, kein Licht! Zündet lieber das Haus an! Ein brennendes Haus fällt am wenigsten auf.«
    Aus mehreren Feuerzeugen glommen Funken auf, und Augenblicke später brannte hinter der Haustür ein hastig zertrümmerter geometrischer Schrein. – Flackernd tanzte das Licht der Flammen über die vornehme, alte Einrichtung des Patrizierhauses. Einer der Soldaten schleppte einen mörtelbedeckten Teppich herbei und legte ihn behutsam in die Flammen.
    »Durchsuchen!« befahl tha Barga und teilte drei Männer ein, das obere Stockwerk zu durchstöbern, während er mit den anderen Soldaten im Erdgeschoß blieb. Im Hintergrund der Vorhalle entdeckten sie eine kleine, steile Treppe, die in den Keller führte.
    Etwa acht Kilometer südlich von Ptolamära ragten fast senkrecht die Kalksteinklippen des Mo Pias in den Himmel. Mo Pias war kein schroffes Gebirge, sondern ein Hochplateau von einzigartiger Struktur. Auf einem mehr als fünfzehnhundert Meter hohen Kalksteinsockel ruhte eine durchgehende flach gewölbte, ovale Granitplatte von etwa fünf Kilometer Länge und fast zwei Kilometer Breite. Diese Granitplatte war so glatt, als habe sie ein Riese vor Urzeiten poliert. Hier oben gab es kein Wasser und keine Vegetation. Nicht einmal Moose hatten auf dem Stein Fuß fassen können. Die Kalksteinklippen unter der Platte fielen so steil ab, dass es bisher keinem Menschen gelungen war, hinaufzuklettern.
    Im Umkreis von

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