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Der gläserne Wald

Der gläserne Wald

Titel: Der gläserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinald Koch
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vormachen! Nichts als Schwindel!«
    Bei dieser Weigerung blieben die Gesandten; doch im Fortgehen sah der Kaptin zu seiner Genugtuung, dass der Häuptling der Orola mit dem Fernsehrohr zu spielen begann.
    Während die Herren Gesandten sich bemühten, auf diese oder jene Weise mit ihrer Todesfurcht fertig zu werden, und je nach ihrer Veranlagung und Glaubensinbrunst das »a plus be in Klammer zum Quadrat« beteten oder Gebetsformeln höherer Ordnung sprachen, saß der Fürst mit gebeugten Schultern auf dem Schemel, und den geübten Augen der Gesandten hätte auffallen müssen, dass er nicht aussah wie einer, dem es eben gelungen ist, seinen Nachbarn ein Schnippchen zu schlagen. Allein die Herren waren von Furcht geblendet und vermochten die Dinge nicht mehr im rechten Licht zu sehen; auch waren sie zu sehr beschäftigt, die eigene Haltung und den Schein zu wahren, um noch die Haltung anderer, wie die des Fürsten, beurteilen zu können. So sorgte sich nur der Kaptin um die Gemütslage seines Fürsten, denn er kannte ihn besser als jeder andere.
    Endlich, nach langer, tiefer Versunkenheit, erhob sich Ämar und befahl den Fragonreitern, die Sonnendächer einzurollen, die diese immer noch mit ihren Körpern stützten, denn die im Wind knatternden Bahnen störten durch ihre Unruhe mehr, als dass sie schützten.
    Jetzt, da sich Ämar auf dem Gipfelgrat der Ereignisse befand, fühlte er sich sonderbar unbeteiligt, jeglicher Handlungsfähigkeit beraubt, und das Erschreckende daran war, dass er klar erkannte, wie sehr die politische Lage seiner psychischen glich.
    Die politische Arbeit des Fürsten von Zaina war getan – zumindest, was die Krisis anbelangte; darüber hinaus vermochte er jedoch nicht zu denken. Ihm war, als sei seine ganze Regierungstätigkeit immer schon auf dieses eine Ereignis ausgerichtet gewesen und – ende nun hier. Die weite Ebene, die sich jenseits des Scheitelpunkts dem Blick auftun mochte, blieb seiner Vorstellungskraft verschlossen. Das dumpfe Bewusstsein dieses Mangels hatte ihn früh veranlasst, einen Nachfolger zu benennen, und so war auch das getan.
    Ohne dass er sich darüber Rechenschaft abgelegt hätte, bewegte sich der Fürst in die Richtung, in der Frens Sänfte stand. Fren, die Hohe Gemahlin, eine zweifellos königliche Frau, doch von einer charakterlichen Instabilität, die im Laufe der Jahre dazu geführt hatte, dass sich Ämar immer mehr von ihr zurückgezogen und sie fast ganz aus ihren überlieferten Rechten verdrängt hatte. Diese Politik des Fürsten hatte Fren noch launischer und unberechenbarer werden lassen, als es eigentlich ihrem Wesen entsprach, und so hatte sie rasch die ihr noch verbliebenen Machtpositionen verspielt.
    Als der Fürst zum Beispiel eines Tages erfuhr, dass es Fren beliebte, die Offiziere ihrer Leibwache, die nachts vor ihren Gemächern Dienst taten, in ihr Bett zu befehlen, ließ er überraschend in der Nacht sämtliche Soldaten der Hohen Gemahlin verhaften und ersetzte sie durch Soldaten seiner Leibwache.
    Als Frens Favorit am Morgen seinen Posten wieder beziehen wollte, fand er ihn besetzt, und die Lage war derart kompromittierend, dass Fren nichts unternehmen konnte. Trotzdem waren dem Fürsten solche Schritte nur im stillschweigenden Einverständnis mit den Tempelherren möglich, die in Erwartung einer Krise alles taten, die Position des Fürsten zu stärken.
    Ämar war sich darüber im Klaren, dass er der Hohen Gemahlin in vielem Unrecht tat, und dass ein großer Teil ihrer Unausgeglichenheit dem Umstand zuzuschreiben war, dass er als Fürst keine Ehe zu vollziehen vermochte. Nun, dafür war er Fürst und die Verkörperung des Staates, als solcher dem privaten Glück entzogen. Doch Fren hatte es ihm nie verziehen, dass er die absolute Macht des Fürsten und damit die Kastration der Regentschaft vorgezogen hatte; aber schon damals, als er sich entschied, war ihm klar gewesen, dass ein von den Sprechern der Kaufherren kontrollierter Regent mit der durch die Adaporianer heraufbeschworenen Krise nicht würde fertig werden können.
    Nun war es also Zeit, vor Fren zu treten und ihr Rechenschaft zu geben für alles, was er ihr zugemutet hatte. Dies war wohl das einzige, was noch geordnet werden musste, dachte Ämar und schob den dicken, sich schwerfällig im Wind blähenden Vorhang am Einstieg der Sanfte zur Seite.
    Fren sah ihn an und sah durch ihn hindurch. Er fühlte sich befangen wie ein Priesterschüler vor der Prüfung. Immer wenn sie allein waren, ließ

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