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Der gläserne Wald

Der gläserne Wald

Titel: Der gläserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinald Koch
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dieses eine Wort klang wie ein Hammerschlag auf eine Stahlplatte. »Soldaten von Adapor! Wir haben heute einen Verlust hinnehmen müssen. Wir haben alle Helikopter verloren. Um so mehr wird es auf die Bodentruppen ankommen. Ich werde als euer Kommandant von nun an den Angriff direkt leiten.
    In etwa zehn Minuten werden wir trotz der Dunkelheit die Stadt stürmen. Die Wirkung unserer Waffen wird bei Nacht noch schrecklicher sein als am Tag und dem Feind den nötigen Eindruck unserer militärischen Überlegenheit vermitteln. Fürchtet euch also nicht! Bedenkt auch, worum wir hier kämpfen: Wenn wir nicht rasch siegen, werden alle Menschen zu Hause sterben. Nur von euch hängt es ab, ob Adapor lebt oder stirbt.
    Befehl an die Raketenwerfer der Schiffe: Konzentriertes Feuer auf die Außenmauer. Je drei Schiffe schießen eine Bresche! – Feuer frei!«
     
    Seitdem die Fragonreiter die Stadt verlassen haben, sitze ich ganz allein hier oben auf dem großen Schornstein der Färberei und beobachte die Lager, die die Adaporianer um ihre großen Wagen errichtet haben. Die beiden Sammlertrupps habe ich unten in den Lagerräumen untergebracht. – Ich glaube, diesen armen Kerlen ist es noch nie so gut gegangen wie jetzt. Sie wühlen wie die Kinder in den bunten Stoffen, schlingen sich die Tücher um den Körper und bewundern sich gegenseitig. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass auch Sammler Sinn für Schmuck haben. Obgleich für den Färber einiger Schaden entstehen wird, lasse ich sie gewähren, denn, wer weiß, wie bald sie schon sterben müssen.
    Ich glaube, dass die Adaporianer nicht mehr lange warten werden, denn seitdem es dunkel geworden ist, tasten sie mit ungeheuren weißglühenden Feuerspeeren die Stadtmauer ab; vorläufig halten die Mauern dem gleißenden Feuer noch stand. Diese Waffe scheint nicht so gefährlich zu sein, wie sie aussieht. Sicher werden die Adaporianer das auch bald merken und andere Waffen einsetzen.
    Es ist recht ungemütlich auf meinem Kamin, denn der Sommer ist vorbei, und die Nächte werden kühler. Ich wünschte, der Angriff würde endlich beginnen! Ich habe Angst. Natürlich habe ich Angst. Ich bin allein, die Sammler zählen nicht. In der ganzen großen Stadt ist außer mir kein Mensch mehr. Auch vor diesen gleißenden Lichtspeeren fürchte ich mich, sie sind erschreckend hell.
    Schon die ganze Zeit überlege ich mir, wie ich durch den Belagerungsring kommen soll, wenn ich den eigentlichen Angriff überlebt habe.
    Was ist das? Ein Blitzen, noch mehr Blitze, die Luft heult, wie wenn Dämonen fliegen! Da! Die Stadtmauer! Sie platzt auseinander. Ein Donner zerfetzt die Steine und schleudert sie hoch in die Luft. Überall blitzt und donnert es, mein Schornstein schwankt wie ein Halm im Wind. Ich klammere mich fest. Runter! Ich muss weg hier! Mir ist ganz übel, ich werde in den Abgrund fallen. Über den Himmel ziehen feurige Schlangen und sprühen Sterne. Wenn meine Leiter abrutscht, bin ich verloren. Endlich fühle ich die oberste Sprosse unter den Füßen. Taghelles Licht züngelt vom Himmel auf die Stadt herab. Beim Abstieg werfe ich einen letzten Blick auf die Mauer, in deren Breschen fürchterliche Gewalten mit Feuer und Donner toben und Steine und Erde aufwerfen.
    Ich fühle mich elend. Meine Beine zittern; mühsam taste ich mich von Sprosse zu Sprosse die wankende Leiter hinab. Da verliere ich plötzlich den Halt, rutsche zwei Sprossen tiefer und fühle – gelobt sei der zeitlose Raum! – die buckligen Ziegel des Daches unter den Füßen.
    Das Dach ist ziemlich flach, und ich kann leicht zu dem Fensterchen kriechen, durch das ich ausgestiegen bin. Auch hier spüre ich die Erschütterungen, aber sie wirken nicht mehr so heftig wie auf der Spitze des Kamins. Bevor ich mich durch das Fenster fallen lasse, sehe ich, dass einige Häuser der Stadt brennen, dann umfängt mich die tröstliche Dunkelheit des Dachbodens, in dem es nach Farben und Staub riecht und in dem noch die Wärme des Tages gespeichert ist. Am liebsten würde ich mich hier in einem Winkel verstecken, zusammengerollt zwischen verstaubten Stoffballen und Farbtrögen; aber das geht nicht.
    Von unten aus dem Lagerraum dringen die verstörten Schreie und das Wimmern der Sammler herauf. Ich muss rasch zu ihnen, bevor sie auf die Idee kommen, sich gewaltsam zu befreien. Sie sind den Aufenthalt in geschlossenen Räumen nicht gewöhnt und werden panische Angst haben. Das wird meine Arbeit nicht gerade erleichtern.
    Am Fuß

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