Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
haben.«
»Ja.« Er nahm ihre Hand. »Wir dürfen nicht zulassen, dass uns das auch einmal passiert, Amber. Ich weiß, was du wegen Robert und Luc empfindest, und …«
Amber legte die Fingerspitzen der freien Hand auf seine Lippen. »Ich liebe sie und werde sie immer lieben, aber dich liebe ich auch, Jay.«
Diesmal war ihr Kuss zärtlich und sanft.
»Ich möchte dich heiraten, das weißt du, nicht wahr?«, wollte Jay wissen.
»Ja.«
»Je eher, desto besser. Dieser Krieg …«
»Ja.«
Nachdem Jay abgeschlossen hatte, gingen sie Hand in Hand nach oben. Jay wollte vor ihrer Schlafzimmertür ihre Hand loslassen, doch Amber schlang ihre Finger fest um seine und schüttelte den Kopf.
»Ich muss heute Nacht mit dir zusammen sein«, sagte sie. »Ich brauche deine Liebe, Jay, und ich muss dir meine Liebe geben können.«
Erst später, in den stillen dunklen Stunden vor der Morgendämmerung, drehte Amber sich in Jays Armen um, hob den Kopf von seiner Brust und fragte neugierig: »Was sollst du meiner Großmutter denn von deinem Großvater ausrichten?«
»Was? O ja. Er hat gesagt: ›Sag Blanche, dass sie recht hatte und ich unrecht, und dass es mir leidtut.‹«
»Dass sie nicht geheiratet haben, was meinst du?«
»Ich weiß nicht.«
»Wir dürfen wirklich niemals zulassen, dass es uns auch so ergeht.«
»Das tun wir nicht«, versicherte er ihr. »Als sie mich an Bord des Marineschiffs gehievt haben, das mich nach Hause gebracht hat, habe ich mir geschworen, deine Liebe zu gewinnen und den Rest meines Lebens darauf zu verwenden, dir zu zeigen, wie sehr ich dich liebe.«
»Barrant ist also tot?«
»Ja, Großmutter.«
Sie hatte es natürlich gewusst – wie hätte es auch anders sein können? Sie hatte es gewusst, und in ihren Gedanken und ihrem Herzen war sie zu ihm gegangen, um bei ihm zu sein. Waren sie da gewesen für ihn, hatten sie auf ihn gewartet, um ihn über die Schwelle des Todes ins Jenseits zu begleiten, ihr Sohn, sein Sohn, ihre gemeinsamen Söhne?
Wäre alles anders gekommen, wenn sie ihm nie von Marcus erzählt hätte? Wenn sie einfach zugelassen hätte, dass er wie alle Welt glaubte, der Sohn, den sie im ersten Jahr ihrer Ehe empfangen hatte, sei Henry Pickfords Sohn und nicht Barrants?
Hatte es doch an ihrem Stolz und ihrem Wunsch nach Vergeltung gelegen, dass sie beide verloren hatte, Marcus und seinen Bruder, den Sohn, den sie nicht einmal hatte halten dürfen, den Sohn, den man ihr bei der Geburt abgenommen und Barrants Frau gereicht hatte, damit sie ihn als ihr eigenes Kind aufzog?
Wie wütend Barrant geworden war, als sie ihm von Marcus erzählt hatte und gelacht hatte, weil sie seinen Sohn hatte und er keinen Erben. Du hättest mich heiraten sollen, hatte sie ihn damals verhöhnt, doch es war ein bitteres, rachsüchtiges Höhnen gewesen, denn er hatte sie abgewiesen, und ihr Sohn würde niemals Anspruch auf sein Geburtsrecht geltend machen können.
Er hatte sie angezogen wie eine Droge. War das der Grund für Gregs Schwäche? Hatte sie ihn infiziert? War sie der Grund, warum er süchtig war nach den Dingen, die ihn umgebracht hatten, genau so, wie sie süchtig gewesen war nach Barrant, voll bitterem Verlangen? Sie hatte ihn nicht zwingen können, sie zu seiner Frau zu machen, aber sie hatte ihn auch nicht aufgeben können, und so war sie weiterhin seine Liebhaberin geblieben. Blanche weigerte sich, das Wort »Geliebte« zu benutzen, denn das stand für eine Frau, die von der Gnade eines Mannes abhängig war, die sein bezahltes Spielzeug war.
In der Arena ihres gegenseitigen Begehrens war sie Barrant als Ebenbürtige begegnet, auch wenn Barrant das nie akzeptiert hatte.
Wie sie es genossen hatte, dass er neidisch zuschaute, als Marcus zu dem Sohn herangewachsen war, auf den jeder Mann stolz gewesen wäre, während Barrant nur Töchter hatte. Wie sie es genossen hatte, Barrant zu verhöhnen und zu verspotten und ihn dann in der Leidenschaft seines Zorns und seines Verlangens in sich aufzunehmen.
Ihr zweiter Sohn war genauso empfangen worden, doch diesmal war es unmöglich gewesen, das Kind als das ihres Ehemanns auszugeben.
Henry Pickford war nicht in der Position, sich von ihr scheiden zu lassen. Sie besaß die Fabrik, und sie besaß auch ihn, doch er und Barrant hatten einen schrecklichen Preis dafür ausgehandelt, dass sie weiterhin als »anständig« gelten konnte.
Das Kind, das abzutreiben sie sich geweigert hatte, würde heimlich zur Welt kommen und dann Barrant
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