Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
Tom Mitford, Jim Lees-Milne, Oswald Mosley mitsamt Frau sowie der Romancier Evelyn Waugh gehörten, auf dem Ball. Amber erkannte sie alle, entweder war sie ihnen persönlich vorgestellt worden oder man hatte sie ihr bei früheren Gelegenheiten gezeigt.
Amber tanzte mit Henry und hatte dabei alle Mühe, sich nicht unbehaglich zu fühlen, denn er stierte sie schweigend an. Ihr Blick fiel auf die Gruppe, die sich um Oswald Mosley drängte, einen gut aussehenden Mann im Stil von Rudolph Valentino. Oswald Mosley wurde von allen Boulevardzeitungen gefeiert, weil er wegen der Ablehnung des nach ihm benannten Memorandums, das Pläne für umfangreiche öffentliche Aufträge zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Einkommenssicherung für die Armen beinhaltete, von der Regierung unter Ramsay MacDonald zurückgetreten war. Amber fand, dass alles, was die schreckliche Situation entlastete, in der Männer keine Arbeit fanden, um ihre Familien zu ernähren, bejubelt und sofort umgesetzt werden sollte. Nicht dass sie viel von Politik verstand, natürlich nicht.
Sie waren fast auf Höhe der Gruppe, als Diana, die neben Mosley stand, plötzlich aufkreischte und dann lachte, den Kopf schüttelte und rief: »Oh, Mosley, du Bestie«, bevor sie sich an ihren Mann wandte und sagte: »Er hat mir gerade etwas Eiskaltes in den Rücken fallen lassen, Bryan.«
»Du Arme«, protestierte die hübsche Brünette, die an Tom Mitfords Arm hing, während Oswald Mosley die Faust öffnete und einige der kleinen rosa Flauschbällchen offenbarte, mit denen die Tische zum Dinner geschmückt gewesen waren.
»Es war nur einer hiervon, in Champagner gekühlt«, sagte er in schleppendem Tonfall, die Neckerei offensichtlich genießend. »Du hast mein Memorandum so hitzig verteidigt, Diana, dass ich es als meine Pflicht betrachtet habe, dich abzukühlen, bevor du den Ruf des armen Ramsay in Schutt und Asche legst.«
Der Tanz war zu Ende, und Amber war ziemlich froh, aus Henrys festem Griff freizukommen.
»Du musst deine Partnerin für den nächsten Tanz suchen gehen«, erinnerte sie ihn sanft, als er keine Anstalten machte, von ihrer Seite zu weichen.
Stattdessen platzte er heraus: »Ich würde viel lieber noch einmal mit dir tanzen!«, und Amber fühlte sich von Neuem unbehaglich.
Doch im nächsten Augenblick sagte eine vertraute Stimme: »Ah, aber Miss Vrontsky hat mir diesen Tanz versprochen, Henry, alter Bursche!« Zu erleichtert, um befangen zu sein, drehte sie sich um und schaute Lord Robert ins Gesicht.
»Ich nehme an, Sie waren nicht besonders darauf erpicht, noch einmal mit ihm zu tanzen?«, fragte er, sobald Henry außer Hörweite war.
»Eigentlich nicht«, gab Amber zu, »aber Sie müssen nicht bleiben und mit mir tanzen, wenn Sie …« Sie hatte sich verhaspelt und schwieg verlegen.
»Ich möchte sehr gerne mit Ihnen tanzen.«
Amber spürte verärgert, wie sie rot wurde.
»Aber ich finde, wir sollten stattdessen ein wenig umhergehen«, schlug Lord Robert vor und bot ihr den Arm. »Dabei können wir uns besser unterhalten.«
Lord Robert kannte das Haus offensichtlich gut, denn er fand bald ein schmales Vorzimmer zum Ballsaal, dessen Türen sich auf einen Balkon öffneten. Er war gerade breit genug, dass zwei Menschen darauf stehen und die Nachtluft genießen konnten.
»Es tut mir leid, dass ich mich so dumm benommen habe …«, erklärte Amber.
»Sie haben sich nicht dumm benommen. Ich bezweifle, dass Sie sich überhaupt jemals dumm benehmen können, Amber.« Als sie ihn mit großen Augen unsicher anschaute, fuhr er fort: »Was ich getan habe, war unverzeihlich. Manche Dinge sollten im Privaten bleiben. Ungesehen und ungehört.«
»Ich würde meinen, es ist nicht immer leicht, seine Gefühle zu verbergen, wenn sie sehr stark sind.« Jetzt blickte Amber hinaus in die Dunkelheit, denn sie brachte es nicht über sich, Lord Robert direkt anzusehen.
»Sie sind ebenso mitfühlend wie freundlich. Ich habe töricht geliebt, und ich habe den Preis dafür bezahlt.«
Bei seinen Worten wurde Amber ganz traurig ums Herz.
»Ich habe immer gedacht, jemanden zu lieben würde bedeuten, so glücklich zu sein wie meine Eltern, aber die Liebe ist nicht immer so, nicht wahr?«
»Nein. Liebe kann vieles sein, gelegentlich sogar verdammt schmerzhaft. Ich hoffe, wenn Sie die Liebe finden, dann jene Art von Liebe, die Ihre Eltern geteilt haben.« Er räusperte sich und sagte dann abrupt: »Ich habe Sie und unsere gemeinsamen Ausflüge sehr
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