Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
passiert, obwohl es in gewisser Weise auch ihn betrifft. Es geht um Caroline Fitton Legh.«
»Caroline Fitton Legh?«, wiederholte Amber ausdruckslos. Jay war den ganzen Weg nach London gekommen, um ihr etwas über Caroline Fitton Legh zu erzählen? Ihre Sorge um Greg hatte sich zerstreut, sie war jetzt vor allem verwirrt.
»Es fällt mir nicht leicht, es dir zu sagen, Amber, aber Caroline ist tot.«
Sie hatte sich eine ganze Menge schlimmer Neuigkeiten ausgemalt, aber Caroline Fitton Leghs Tod hatte nicht dazugehört. Sie war so jung, so lebendig – gewesen. Es schien unmöglich. Amber dachte daran, wie schön sie an dem Nachmittag ausgesehen hatte, als sie und Greg sie in Fitton Hall besucht hatten. Sie war so nett gewesen, so freundlich und so voller Herzenswärme. Amber konnte es nicht fassen. Wie sie wohl gestorben war? Sie erinnerte sich daran, was Cassandra gesagt hatte: dass Greg in Lady Fitton Legh verliebt sei. Aber als Amber ihn darauf angesprochen hatte, hatte Greg nur gelacht.
Ihr war ein wenig unbehaglich. Irgendwie hatte sie Angst.
»Wie ist das nur passiert?«
»Ein Unfall«, antwortete Jay knapp. »Möchte meine Großmutter, dass ich zur Beerdigung nach Hause komme? Bist du deswegen hier?«
Jay schüttelte den Kopf. »Lord Fitton Legh hat angekündigt, dass die Beisetzung im engsten Familienkreis stattfinden soll.«
»Ich kann es kaum glauben«, meinte Amber. »Zu Hause müssen alle furchtbar schockiert sein. Vor allem die arme Cassandra.«
Unter Jays Augen lagen dunkle Schatten, und sein Gesicht wirkte ein wenig eingefallen.
»Amber.« Er hielt inne und atmete aus. »Deine Großmutter hat mir aufgetragen … also, ich meine, sie möchte, dass ich dir etwas sage. Komm, setz dich.«
Gehorsam setzte Amber sich auf den Stuhl, den er für sie bereithielt, und wartete unsicher, bis er ihr gegenüber Platz genommen hatte. Im Kamin brannte kein Feuer, und es war kalt im Raum, denn diese Seite des Hauses lag von der Sonne abgewandt.
»Du weißt sicher, dass Greg auf dem Weg nach Hongkong ist.«
»Ja, natürlich«, sagte Amber. »Er schien sich darauf zu freuen, als er mir davon geschrieben hat, obwohl ich nicht recht verstehe, was das jetzt mit …« Sie hielt inne, als Jay die Hand hob, um sie zu unterbrechen.
»Es gibt keinen einfachen Weg, es dir beizubringen, und mir wäre es lieber, wenn nicht ich derjenige wäre, der es dir erzählen muss, aber deine Großmutter meint, du solltest es erfahren, und ich muss zugeben, dass ich ihr in diesem Punkt recht gebe. Wenn du nach Macclesfield zurückkommst, würdest du ohnehin davon hören, aber zweifellos als so wilde Geschichte, dass du nicht wüsstest, was du davon halten solltest.«
Amber drehte sich vor Nervosität schier der Magen um. Sie hatte keine Ahnung, was Jay ihr zu erzählen hatte, aber dass es etwas Unangenehmes war, das spürte sie.
Jay blickte Amber an. Auf der Zugfahrt nach London – erster Klasse, auf Anraten seiner Dienstherrin – hatte er die ganze Zeit über das bevorstehende Treffen nachgedacht und darüber, was und wie viel er ihr sagen und wie er es ausdrücken sollte.
Überrascht hatte er dann festgestellt, wie sehr Amber in der kurzen Zeit gereift war: ihre Art, ihn zu empfangen, ihr Auftreten, die Haltung, mit der sie ihre Gefühle bezähmte. Das Mädchen, das er gekannt hatte, war verschwunden, und an seine Stelle war eine ruhige, selbstsichere junge Frau getreten.
Er atmete tief durch. »Deine Großmutter hat Greg nach Hongkong geschickt, weil er und Lady Fitton Legh etwas miteinander hatten.«
Amber nahm die gemessenen Worte in sich auf und sah Jay dann an. »Du meinst, sie hatten eine Affäre?«
»Ja.«
»Großmutter hat Greg weggeschickt, weil sie herausgefunden hat, dass er in Lady Fitton Legh verliebt war?«
»Nein. Also, das heißt, ich glaube nicht, dass sie ineinander verliebt waren, es waren wohl eher Zufall und Gelegenheit, die sie zusammengeführt haben.«
»Ja«, bestätigte Amber.
Jay war erstaunt, wie ruhig sie das alles aufnahm, wie unbeteiligt sie sich angesichts der Neuigkeiten zeigte. Meine Güte, zwischen ihr und dem Mädchen, das er so gut gekannt hatte, lagen wirklich Welten.
»Leider ist Lord Fitton Legh als Erster hinter die Affäre gekommen, nicht deine Großmutter, und es wurde schon ein wenig getuschelt, ehe deine Großmutter ihn zu der Einsicht bewegen konnte, es wäre am klügsten, so wenig wie möglich von der ganzen Sache nach außen dringen zu lassen. Er hat verlangt, dass
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