Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
fort: »Natürlich war es ein harter Schlag für Großmutters Stolz, als sich dann in der ganzen Grafschaft herumsprach, dass Barrant und sein Vater fanden, sie sei weder gut noch reich genug, um in die Familie de Vries einzuheiraten. Vermutlich haben sich viele hinter ihrem Rücken über ihre Ambitionen lustig gemacht.«
»Aber das muss ihr doch klar gewesen sein? Ich meine, jeder weiß doch, dass Barrant de Vries schon beinahe obszön stolz ist.«
»Na ja, das denke ich auch, aber sie war damals wohl eine außergewöhnliche Schönheit, und Urgroßvater war ja ziemlich reich. Ich möchte wetten, sie hatte sich eingeredet, sie könnte Barrant an Land ziehen.Vom Landadel wurde sie anscheinend akzeptiert, und das hat sie wohl auf die Idee gebracht, sie hätte Chancen, Barrants Frau zu werden.«
»Vom Landadel?«, erkundigte sich Amber. »Den Fitton Leghs und den Bromley Davenports?«
»Von den Bromley Davenports bestimmt, bei den Fitton Leghs bin ich mir nicht so sicher, schließlich hat Barrant de Vries am Ende eine Fitton Legh geheiratet.«
»Aber heute pflegt Großmutter Umgang mit der verwitweten Marquise von Cholmondeley. Sie sitzen in denselben Wohltätigkeitskomitees, und …«
»Meine liebe Amber, es ist etwas ganz anderes, jemandem zu erlauben, in die Familie einzuheiraten, als nur Umgang mit ihm zu pflegen. Das kannst du wirklich nicht miteinander vergleichen!« Greg hatte die Stimme und Haltung ihrer Großmutter so gut getroffen, dass Amber sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte.
»Irgendwann einmal ertappt Großmutter dich dabei, wie du sie nachäffst, und dann kommst du in Schwierigkeiten!«
»Du wirst diejenige sein, die in Schwierigkeiten kommt, wenn du runtergehst und anfängst, von Kunstakademien zu reden.«
»Aber ich verstehe immer noch nicht, was Barrant de Vries’ Weigerung, Großmutter zu heiraten, damit zu tun hat, dass sie mich in die Gesellschaft einführen möchte.«
»Na, das liegt doch auf der Hand. Sie gehört nicht zu den Leuten, die jemals eine Zurücksetzung oder Beleidigung vergessen, oder?«
Amber schüttelte den Kopf. Greg hatte recht. Wenn es ihr gerade opportun schien, konnte ihre Großmutter sehr hart sein. Ambers Mutter etwa hatte sie die Heirat mit einem russischen Emigranten nie verziehen.
Ein leiser Schauder überlief Amber.
»Nach allem, was ich jetzt weiß, glaube ich, dass Großmutter den Besitz hier nur gekauft hat, weil er an de Vries’ Land angrenzt und um Barrant unter die Nase zu reiben, dass sie mehr Grundbesitz und ein größeres Haus hat als er«, fuhr Greg fort. »Sie hat ja sogar seinen Enkel als Gutsverwalter angestellt. Das ist ihre Art, Barrant dafür zu demütigen, dass er sie gedemütigt hat. Jeder weiß, dass Barrant nach dem Krieg beinahe alles verloren hat, seinen eigenen Sohn eingeschlossen – der gestorben ist, ohne einen Erben zu hinterlassen. Aber das reicht Großmutter nicht, Amber. Sie will, dass wir erreichen, was ihr selbst verwehrt geblieben ist.Vor allem du. Ich kann schließlich keinen Titel heiraten, du aber schon. Der Krieg hat viele Familien der Aristokratie an den Bettelstab gebracht. Denk doch nur mal daran, wie viele Adelige heutzutage ihre Kinder an amerikanische Millionäre verheiraten, dann wird dir einiges klar.«
Amber war sich darüber durchaus im Klaren. Schließlich hatte ihr Nachbar Lord Fitton Legh im vergangenen Jahr eine amerikanische Erbin geheiratet, und man war sich allgemein einig, dass diese Ehe eingefädelt worden war, damit er Geld und die Braut einen Titel bekam.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, neckte Greg sie: »Du solltest froh sein, dass Großmutter offensichtlich der Ansicht war, Fitton Leghs Titel sei nicht gut genug. Sie wünscht sich für dich sicher jemanden, der gesellschaftlich über de Vries steht, verlass dich darauf. Deswegen will sie auch, dass du bei Hofe vorgestellt wirst.«
Bevor Amber antworten konnte, fuhr Greg fort: »Großmutter hat vielleicht genügend Geld, um dir einen Titel zu kaufen, aber so einfach ist das auch wieder nicht. Ich meine, dazu musst du dich unter die richtigen Leute mischen, und das kannst du nicht, wenn dir die Voraussetzungen dazu fehlen. Für ein Mädchen bedeutet das eine Vorstellung bei Hofe. Großmutter will einfach, dass du als ihre Enkelin einmal einen sehr viel besseren Titel bekommst als den, den de Vries ihr damals verweigert hat. Damit kann sie dann auch vor all den Leuten angeben, die sich hinter ihrem Rücken über sie lustig gemacht haben,
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