Der Glanz der Welt
Eminenz! Dir geht es offensichtlich prima“, sagte ich und gab mich fröhlich, um ihn milde zu stimmen. Auch er würde mich sofort erkennen. An der Stimme. Und vor allem an der Respektlosigkeit. Denn meine Anrede war nicht gerade protokollgerecht. Aber unter Freunden schweigt das Protokoll. Als er noch auf dem Weg nach oben war, die verschiedenen Sprossen der kirchlichen Hierarchie emporgeklettert war, da hatte ich mir immer den Scherz erlaubt, ihn einen Rang höher zu titulieren, als ihm gerade zustand. Solange er einfacher Priester war, nannte ich ihn „Monsignore“, als er Bischofssekretär und Prälat geworden war, nannte ich ihn „Exzellenz“. Kaum hatte er den Bischofssitz erklommen, beförderte ich ihn zur „Eminenz“. Aber als er Kardinal wurde, stand ich an. „Eure Heiligkeit“ schien mir doch etwas zu hoch gegriffen für einen, der ebenso sterblich ist wie ich. Und vor allem: Was, wenn er auch noch Papst wurde? Dann blieb nur mehr die Anrede „Lieber Gott“. Aber an den glaubte ich nicht. Also kam der Karriereknick, indem ich bei Eminenz blieb.
„Herr, habe ich gesündigt?“, kam als Antwort auf meinen Gruß. „Warum strafst du mich, deinen frommen Diener?“
„Wen Gott liebt!“, sagte ich fröhlich.
„Mich muss er, bei aller Bescheidenheit, ganz besonders lieben“, seufzte il cardinale . „Ich werde die Zeichen seiner Liebe mit großer Demut ertragen.“
„Das schätze ich so an dir, Ludwig“, ich musste lachen, denn unser Dialog entspann sich immer in derselben Weise, „dass du mich als Prüfung Gottes siehst, das ehrt mich.“
„Versündige dich nicht, Michele!“ Ludwig war wirklich um mein Seelenheil besorgt.
„Keine Sorge, mein Lieber, aber ich brauche wieder einmal deinen kirchlichen Beistand.“
„Erzähl mir keinen Holler!“, antwortete Ludwig, und seine Stimme wurde ein wenig unwirsch, blieb aber beherrscht, denn Zorn war nun einmal keine christliche Tugend. „Kirchlicher Beistand! Du brauchst weltliche Intervention für deine Kolumne.“
„Wie du das wieder erraten hast“, flötete ich ins Telefon. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Zumindest ansatzweise. In den letzten Monaten hatte ich Ludwig immer nur angerufen, wenn sich Schefredaktör wieder einmal bei einem Kommentar quergelegt hatte.
„Da gibt es nichts zu erraten.“
Ludwigs Stimme blieb noch immer ziemlich freundlich, aber man merkte, dass seine ganze christliche Nächstenliebe gefordert war. Wahrscheinlich hätte er mich lieber angekläfft, wie der Schäferhund das Schaf, das dabei war, sich von der Herde abzusetzen. Aber er war kein Schäferhund, sondern der Schäfer. Und ich hatte die Herde längst verlassen.
„Hilf einem alten Atheisten“, ich zog alle Register, „der dir im Religionsunterricht immer eingesagt hat.“ Das war fies, und ich wusste es. Aber er war in Religion immer schwach gewesen, verwechselte die Namen der Heiligen, merkte sich die Abläufe des Kirchenjahres nicht. Aber bekannterweise führen viele Wege nach Rom. Oder wenigstens bis ins Kardinalpurpur.
„Wem fährst du diesmal an den Karren?“, fragte er.
„Ich will einen flammenden Appell gegen die irdische Habgier vom Schnittling schreiben, ein Fanal setzen gegen die Sünde des Hochmuts von Grapschmann. Einen flammenden Appell gegen das satanische Komplott der beiden gegen die Werk-Bank.“ Ich griff ziemlich tief in die Kitschkiste.
„Lass den Kitsch“, kam es prompt von meinem Gesprächspartner, „du willst ihnen also Korruption und noch irgendetwas vorwerfen. Hast du Beweise?“
„So Gott will, werden sich welche finden.“
„Du hast also nichts Verwertbares in der Hand“, sagte Ludwig nüchtern, und hier merkte man, dass auch Kirchenfürsten ihren Fürsten, nämlich Machiavelli, gelesen haben, „und missbrauchst deinen Kommentar für einen Schuss ins Ungewisse.“ Er hatte recht. So funktionierte das. Wenn ich keine Beweise hatte, dann philosophierte ich in einem Kommentar ein wenig herum, wie es denn gewesen sein könnte. Immer in der Hoffnung, dass die Verdächtigen nervös wurden und in der Folge einen Fehler machten.
„Ich diene dem Guten“, sagte ich, „willst du wirklich, dass immer die Bösen gewinnen?“
„Trag nicht so dick auf, auf Erden gewinnen die Bösen immer. Darum gibt es ja das Jenseits, und dort wird sie ihre gerechte Strafe ereilen.“
„Du wirst verstehen, Eminenza Ludovico, dass ich nicht so lange warten will. Ich würde denen lieber noch zu Lebzeiten eine Abreibung
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