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Der Glanz der Welt

Der Glanz der Welt

Titel: Der Glanz der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Amon
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schneller Blick, er setzte fort: „Das dürfte die Mehrheit sein. Gegenprobe.“ Drei Hände zeigten auf. „Danke“, sagte Goutzimsky, „danke, dann machen wir das so.“
    Ich war zufrieden. Dieses dumme Rätselraten war damit ausgeschlossen, ebenso die Angeberei der vermeintlichen Kenner und die Ausspuckerei. Wein gehört zu einem guten Essen getrunken und runtergeschluckt.
    „Wo ist die angekündigte Schönheit“, flüsterte Himmel Goutzimsky zu. Der lachte nur: „Sagte ich was von Schönheit? Ich sagte bloß: ein Überraschungsgast.“
    „Du hast gesagt, dass alle Italienerinnen schön sind, vor allem wenn sie Töchter von Weinbauern sind. Und das willich jetzt sehen“, beharrte Himmel. Goutzimsky lächelte unbeirrt: „Wart es ab. Lass dich überraschen.“
    „Ist ihr Wein auch dabei?“, fragte ich.
    „Nein“, sagte Goutzimsky, „nur Weine, die man hierzulande auch offiziell kaufen kann. Aber wir trinken nachher, im kleinen Kreis, das eine oder andere Fläschchen. Da wird dann auch mein Überraschungsgast dabei sein. Aber erst, wenn wir im ganz kleinen Kreis beisammensitzen.“ Wir hatten diese Konversation nur flüsternd, mit zusammengesteckten Köpfen geführt, sodass die anderen nicht mithören konnten.
    Wie bei Brunello üblich, wurden vor allem Wildgerichte aufgetragen. Frischlingsrücken, Rebhuhn in Schokosauce, Wildschweinkoteletts mit Salbei, Gemse mit Speckschaum, Wildhase in Pfeffersauce. Die Speisen und Weine huschten nur so vorbei. Mir ging das wie immer zu schnell, und es war mir auch zu viel, ein Zuviel sowohl an Eindrücken als auch mengenmäßig. Man kann die Eindrücke kaum ordnen. Der Gaumen setzt aus ob der Fülle am Geschmäckern und Nuancen. Die Namen all der berühmten Weingüter rauschen an den Ohren vorbei. Wobei Ruhm relativ ist. Die meisten Brunello-Weingüter waren recht jung. Noch vor fünfzig Jahren, um 1960 herum, gab es nur elf Produzenten. Heute sind es über 250. Wer da auf lange Sicht Bestand hatte, würde sich erst weisen müssen. Auf jeden Fall ratterten die Namen der bekannteren Weingüter im Tiefflug an einem vorbei: Altesino, Lisini, Baricci, Il Poggione, Greppone Mazzi, Caparzo, Banfi, Biondi-Santi, Talenti. Der Letztgenannte war immer schon mein persönlicher Favorit gewesen. Und Biondi-Santi war ein Thema für sich. Das älteste Brunello-Weingut, traditionsgebunden, konservativ in den Methoden. Manche hielten seine Weine für genial, andere fürüberteuert. Ich selbst legte mich diesbezüglich nicht fest. Für mich hängt das vom Jahrgang ab.
    Himmel saß neben mir und kippte ein Glas nach dem anderen hinein. Er vertrug Unmengen, bewundernswert, ich hatte ihn noch nie betrunken gesehen.
    „Übrigens, das mit dem Toten vom Dom ist eine komische Geschichte.“
    „Inwiefern?“, frage ich. Ich hatte merkwürdigerweise keinen Gedanken mehr an dieses Ereignis verschwendet. Ich war derart auf Schnittling, Grapschmann und Co. konzentriert gewesen, dann auf meinen Kommentar, dass ich diesen Fall völlig vergessen und verdrängt hatte. Zudem berührte er mich nicht wirklich, auch wenn sich das Bild des herabsausenden, dann auf dem Pflaster aufschlagenden Körpers noch immer sehr plastisch in meinem Gedächtnis breitmachte.
    „Der Tote ist ein gewisser Erwin Bein“, flüsterte Himmel.
    „War das nicht einmal ein recht bekannter Schauspieler der Josefstadt?“, fragte ich, während ich ein Stück vom Wildhasen in der Pfeffersauce wälzte.
    „Ja, aber danach am Burgtheater. Großer Karriereknick, als der Peymann Direktor geworden ist. Die konnten nicht miteinander, außerdem hasste der Bein das Regietheater. Er war sogar bei diesem obskuren ,Verein der Gegner des Regietheaters‘, die den Peymann verjagen wollten. Sein eigenes, damals eröffnetes Kellertheater hat der Bein immer als Abstieg verstanden.“
    „Und warum hüpft der vom Dom hinunter?“, fragte ich und trank ein Schlückchen Poggio Antico, Riserva 1990.
    „Der ist nicht freiwillig hinuntergesegelt.“ Himmel senkte die Stimme noch mehr. „Da hat wer nachgeholfen.“
    „Hat dir das der commissario erzählt?“, wollte ich wissen.
    „Nein“, Himmel sprach weiter, „der will mit dem Fall doch nichts zu tun haben, den haben sie ihm aufs Aug gedrückt, damit er keine Zeit für den Grapschmann hat. Auf jeden Fall hat man mir geflüstert, dass die Pathologie eindeutige Hinweise auf Fremdverschulden hat, wie das so malerisch heißt. Irgendwelche Hämatome am Rücken und auf der Schulter. Bei seinem

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