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Der Glanz der Welt

Der Glanz der Welt

Titel: Der Glanz der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Amon
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den Bein“, mischte Schnittling sich wieder ein. Er flüsterte so leise, dass alle die Köpfe zusammensteckten. „Wir können in der nächsten Zeit unmöglich Geld auf dem normalen Weg überweisen. Die schauen sich das bestimmt alles an. Wir brauchen dringend wieder einen Kofferträger.“
    „Aber wie bringen wir den durch den Zoll?“, fragte Schmauch-Baller.
    „Wie immer“, Schnittling flüsterte weiter, „ich regle das mit der Botschaft, ein Diplomatenpass ist kein Problem. Wisst ihr jemanden? Aber ein wenig zuverlässiger als der Bein müsste die Person, bitte schön, schon sein. Und nicht so geldgierig, der Mann hat ja nicht genug bekommen. Gut, dass er vom Dom gefallen wurde, Gott fei ihm gnädig! Aber einen zweiten Bein können wir uns nicht leisten.“ Schnittling hob den Kopf und sah sich um, als ob er kontrollieren wollte, dass niemand Unbefugter mitgehört hatte.
    „Hast etwa du ihn vom Dom gestoßen?“, fragte der Baron und strich sich zufrieden über den Bauch.
    „Öch habe ihn nur fallen laffen, geschäftlich fallen laffen“, sagte Schnittling, „er wurde zu gierig, er hat den Half nöcht voll bekommen.“
    „Also hast du doch nachgeholfen?“, ließ der Baron nicht locker.
    „Nachgeholfen?“ Schnittling hob missbilligend die rechte Augenbraue. „Öch helfe nöcht nach. Öch habe telefoniert. Und dann öft er vom Dom gefallen. Waf hat daf möt mör zu tun? Lief, waf die Frau Mönöfter öm Blatt gefagt hat!“
    „Vor mir brauchst dich nicht verstellen“, sagte der Baron, „und kannst normal reden, ich war auch schon in U-Haft. Das gehört heute dazu, das ist standesgemäß. Nicht in U-Haft gewesen zu sein, heißt, es zu nichts gebracht zu haben. Grapschmann, wann gehst du das erste Mal?“
    „Nur wenn ich die Fifi mitnehmen kann“, sagte dieser.
    „Sei froh, wenn du die Schreckschraube für ein paar Tage los bist“, sagte der Baron, „ich bin jedenfalls froh, wenn ich meine Alte ein paar Tage nicht sehen muss.“
    „Ich liebe meine Fifi“, sagte Grapschmann.
    „Du liebst ihr Geld“, konterte der Baron.
    „Man wird verkannt, alle Welt verkennt meine ehrlichen Bemühungen“, Grapschmann wischte sich die Föhnwelle aus der Stirn.
    „Mir ist es völlig egal, ob es ihr Geld oder was anderes ist, wodurch deine Hormone zu tanzen beginnen“, lächelte der Baron und flüsterte in Richtung Schnittling: „Was der am Pferdegesicht findet!?“
    „Ich habe dich gut gehört“, pfauchte Grapschmann, „die Fifi hat kein Pferdegesicht. Aber Möpse …“
    Der Baron fiel ihm ins Wort: „… wie Pferdeäpfel!“
    „Außerdem …“ Grapschmann hielt inne und schwieg.
    „Außerdem?“, fragte der Baron und lehnte sich erwartungsvoll zurück.
    „Außerdem ist meine Fifi im Vergleich mit deiner Alten in jedem Fall eine Schönheit“, sagte Grapschmann nach kurzem Zögern, „und bei mir tanzen wenigstens noch Hormone und nicht nur die Wildschweine vor der Flinte.“
    „Trottel“, sagte der Baron und nahm einen tiefen Schluck aus dem Weinglas, „neureicher Trottel.“
    „Neureich, altreich, ihr seid beide deppert, und eure Frauen intereffieren hier auch niemanden“, sagte Schnittling, „und der Tanz eurer Hormone auch nöcht.“ Er senkte seine Stimme: „Wir haben andere Probleme, falls euch das noch nicht aufgefallen ist.“
    Die Tür zum Giacomos schwang auf, Chiara kam herein und quer durchs Lokal in unsere Ecke.
    „Griaß di“, sagte Pirchmoser, Himmel winkte, ich stand auf und umarmte sie, Wange an Wange, wir rieben unsere Nasen aneinander.
    „Grippeübertragungsgefahr!“, sagte Himmel trocken.
    „Sehr witzig“, antwortete ich.
    „Ich habe was für euch“, Chiara öffnete ihren Mantel und holte aus der Innentasche ein zusammengefaltetes Exemplar von „Die Zeitung“, „die morgige Ausgabe mit dem Kommentar von Michele.“
    „Und?“, fragte ich.
    „Wie sagt man auf Deutsch? Da bleibt kein Auge trocken?“ Chiara hielt mir die Zeitung hin. Ich entfaltete sie und schlug die vorletzte Seite mit den Kommentaren auf.
    „Lies vor!“, sagte Himmel.
    „Ja“, Pirchmoser pflichtete ihm bei, „lies vor!“
    „Na gut“, sagte ich und begann leise vorzulesen.
    Adlerauge sei wachsam!
    Der Ferdinand Adler-Kommentar .
    Unschuldsvermutungen .
    In einer Gesellschaft der dreckigen Westen und der schmutzigen Hände steht die Unschuldsvermutung hoch im Kurs. In einer Gesellschaft, in der die Eliten versagen, weil das einzige Wort, das sie noch buchstabieren können,

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