Der Glanz der Welt
Pirchmoser voll Genugtuung.
Schnittling hatte sich in den Kommentar vertieft. Wir sahen, wie er immer wieder den Kopf schüttelte, seine Füllfeder aus einem Pennal in seiner Sakkoinnentasche holte und begann, einzelne Stellen anzustreichen.
„Was ist?“, fragte Grapschmann.
„Kusch“, Schnittling wurde unwirsch, „dieser Schmierfink, dem werde ich seine Adlerfedern einzeln ausrupfen lassen.“
„Wenn ich den Gesichtsausdruck vom Schnittling richtig interpretiere, dann würde der Kerl dem Adler, so er ihn erwischt, jede Feder einzeln ausreißen“, sagte ich, „aber was er nicht weiß: Diesem Adler wachsen für jede ausgerissene Feder zwei Schreibfedern nach. Den Adler kannst nicht erschlagen. Wenn der wüsste, dass er gerade vis-à-vis vom Adlerhorst sitzt, ich glaube, commissario , dann müsstest du einen Mord verhindern. Der kocht, das spürt man bis hier zu uns herüber.“
„Möge er im eigenen Saft schmoren, bis er durchgebraten ist. Es wäre mir eine Ehre, ihn dann formvollendet zu tranchieren“, sagte Pirchmoser.
„Kannibale.“ Himmel heuchelte Entsetzen.
„Rein kriminalistisch tranchieren. Einen wie den frisst ein aufrechter Tiroler nicht. Lieber eine alte, zähe Gams mit haut goût als den Schnittling. Pfui Teifl!“ Pirchmoser lief es vor Ekel kalt den Rücken hinunter.
„Diesen Schmierfinken, diesen feigen, hundsgemeinen Schmieranten, der sich hinter einem Pseudonym versteckt, wenn ich den erwischen könnte“, sagtevSchnittling. „Da spende ich jedes Jahr für die Erhaltung des Doms, und der Herr Kardinal hat nichts Besseres zu tun, als mich in seinem Schmierblatt mit Dreck zu überschütten. Ich such mir einen anderen Dom, eine andere Kirche, einen anderen Gott.“ Schnittling war groß in Fahrt.
„Gott“, Grapschmann sah ihn erstaunt an, „du glaubst aber nicht wirklich an Gott?! Solange man bei dem kein geheimes Nummernkonto eröffnen kann, brauche ich ihn nicht.“
„Idiot“, sagte Schnittling. Die Schimpfwortdichte war hoch an diesem Abend im Giacomos, im Grapschmann-Eck.
„Also, wenn ich auch was sagen darf“, Schmauch-Baller ergriff das Wort, „das mit dem lieben Gott ist keine so schlechte Einrichtung. Das Landvolk mag das, ich bin Baron von Gottes Gnaden, Republik hin, Republik her, der liebe Gott war vorher schon da in der Phantasie der Leute, und dort wird er auch die Republik überleben. Gott gibt, Baron Schmauch-Baller nimmt.“ Lachen, wie immer meckernd.
Aus dem Extrazimmer kamen im Gänsemarsch und in genau der Reihenfolge: John Miller, Herbert Gans und Otto Mühsal.
Nein, denkst du, die können doch nicht einfach so, ganz schweigend, das Lokal verlassen, diese kleine Bühne, zu der ihre einst erhoffte große Welt geschrumpft war. Du irrst nicht. Schon begann Miller zu deklamieren: „Der Pöbel hört nie auf, Pöbel zu sein, und wenn Sonne und Mond sich wandeln.“
„Heute haben wir es aber wirklich stark mit Schillers Räubern“, sagte Gans.
„Hinter dem U kommt gleich das Weh, das ist die Ordnung im ABC“, Mühsal winkte in Richtung unserer Ecke. „Wallensteins Lager“, sprach Gans getragen und fügte, in die Grapschmann-Ecke weisend, hinzu: „Nicht an die Güter hänge dein Herz, die das Leben vergänglich zieren. Schiller, ,Die Braut von Messina‘.“
Man kannte die Mitglieder des Theatervereins, zumindest hier im Giacomos, wo sie sich immer trafen, auch wenn ihrRuhm über die Räumlichkeiten des Giacomos’ kaum hinausdrang. Man kannte sie und die meisten Gäste tolerierten amüsiert ihre Eigenheiten. Im Gänsemarsch verließen die drei das Lokal, und der Aufmarsch der seltsamen Heiligen war vorbei.
„Auch die werden von meinen Steuergeldern bezahlt“, sagte Grapschmann und deutete sich mit dem Zeigefinger an die Stirn.
„Erstens zahlst du keine Steuern, das wissen wir, der Staatsanwalt, deine Bank in Liechtenstein und auch sonst noch ein paar Leute. Sogar die Zeitungen schreiben es schon. Das ist so bekannt, dass die Spatzen darauf pfeifen, es von den Dächern zu pfeifen. Zweitens bist du ein Banause“, sagte Schmauch-Baller. „Sei froh, dass es die Oper und das Theater gibt, wo du die Weiber hinschicken kannst, wenn du mal einen Abend Ruhe haben willst. Und wo ließe sich trefflicher die nächste Jagd verabreden als in den Wandelgängen eines Theaters?“
„Ich will mein mir angetrautes Weib nicht loswerden“, sagte Grapschmann, „ich liebe meine Fifi.“
„Deine Hormone werde ich nie verstehen“, sagte der Baron, „ich
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