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Der Glanz des Mondes

Der Glanz des Mondes

Titel: Der Glanz des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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heraus.
    Schließlich sagte Chiyo: »Kommen Sie nach Hause, Lord Takeo. Alle im Haus erwarten Sie.«
    »Es steht also noch?«
    »Der Garten ist verwüstet - der Fluss hatte ihn überschwemmt, aber das Haus hat keine schweren Schäden davongetragen. Bis morgen wird alles für Ihre Ankunft fertig sein.«
    »Ich komme morgen Abend«, versprach ich.
    »Werden Sie ebenfalls kommen, Herr?«, fragte sie Kenji.
    »Fast wie in alten Zeiten«, antwortete er mit einem Lächeln, obgleich wir beide wussten, dass es nie wieder so sein würde.
    Am darauf folgenden Tag nahmen Kenji und ich Taku und einige Wachleute mit und liefen die vertraute Straße hinunter. Zenko ließ ich zurück. Die Ereignisse um Arais Tod hatten ihn tief getroffen. Ich machte mir Sorgen um ihn, sah seine Verwirrung und seinen Kummer, doch mir fehlte die Zeit, mich darum zu kümmern. Ich nahm an, dass er die Art und Weise, wie sein Vater zu Tode gekommen war, als Schmach empfand und mich dafür verantwortlich machte. Vielleicht warf er mir auch vor, dass ich sein Leben geschont hatte, oder verachtete mich sogar dafür. Ich war mir unsicher, wie ich ihn behandeln sollte: als den Erben eines mächtigen Kriegsherrn oder als Sohn eines Mannes, der mich verraten hatte. Zunächst hielt ich es für das Beste, ihn nicht in meiner Nähe zu haben, und gab ihn in den Dienst der Familie von Endo Chikara. Ich hoffte immer noch, dass Zenkos Mutter, Shizuka, am Leben war. Sobald sie zurück wäre, würden wir über die Zukunft ihres Sohns beratschlagen. Was Taku anging, hatte ich keine Zweifel; ich würde ihn bei mir behalten, als ersten der kindlichen Spione, von denen ich mir immer schon erträumt hatte, sie auszubilden und in meine Dienste zu nehmen.
    Die Gegend rings um mein altes Zuhause war von dem Erdbeben weitgehend verschont geblieben und in den Gärten sangen munter die Vögel. Als wir durch das Viertel gingen, dachte ich daran, wie ich immer den genauen Moment abgepasst hatte, in dem ich hören konnte, wie das Haus sein Lied vom Fluss und der Welt sang, und ich erinnerte mich an meine erste Begegnung mit Kenji an der Straßenecke. Das Lied klang nun anders; der Bach war mit Unrat verstopft, der Wasserfall ausgetrocknet, doch der Fluss reichte immer noch an den Kai und bis zur Mauer.
    Haruka pflückte die letzten Wildblumen und ein paar Chrysanthemen, um sie in Eimern vor die Küche zu stellen, wie sie es früher immer getan hatte, und ihr strenger Herbstduft mischte sich mit dem Geruch von Matsch und Fäulnis, der vom Fluss herüberzog. Der Garten war ruiniert, alle Fische waren tot, aber Chiyo hatte den Nachtigallenboden geschrubbt und poliert, und als wir ihn betraten, sang er unter unseren Füßen.
    Die Räume im Erdgeschoss waren durch Wasser und Schlamm zerstört und sie hatte bereits damit begonnen, alles leer zu räumen und neue Matten auslegen zu lassen. Das Zimmer im ersten Stock war jedoch unversehrt geblieben. Chiyo hatte überall geputzt, bis es wieder so aussah wie damals, als ich es zum ersten Mal gesehen hatte und das Haus und Shigeru mir so ans Herz gewachsen waren.
    Chiyo entschuldigte sich, dass es kein warmes Wasser gab, aber wir wuschen uns mit kaltem, und sie schaffte es, genügend Speisen für ein ordentliches Mahl zu besorgen und dazu ein paar Krüge Reiswein. Wir aßen oben, wie wir es früher so oft getan hatten, und Kenji brachte Taku zum Lachen, indem er erzählte, wie dumm ich mich als Schüler angestellt hatte und wie unmöglich und ungehorsam mein Benehmen gewesen war. Eine fast unerträgliche Mischung aus Trauer und Freude überkam mich und ich lächelte mit Tränen in den Augen. Aber trotz allen Kummers spürte ich, dass Shigerus Geist seinen Frieden gefunden hatte. Fast war mir, als säße er schweigsam mit uns im Zimmer, lächelnd, wenn wir lächelten. Seine Mörder waren tot und Jato war nach Hause zurückgekehrt.
    Schließlich schlief Taku ein und Kenji und ich leerten einen weiteren Krug und schauten zu, wie der Dreiviertelmond über den Garten dahinzog. Es war eine kalte Nacht. Es würde wahrscheinlich frieren und wir schlossen die Läden, ehe wir uns selber schlafen legten. Ich schlief unruhig, was zweifellos am Wein lag, und erwachte im Morgengrauen, weil ich meinte, irgendein unbekanntes Geräusch gehört zu haben.
    Um mich herum war alles still im Haus. Ich konnte Kenjis und Takus Atem neben mir hören und Chiyo und Haruka im Zimmer unter uns. Wir hatten Wachen am Tor aufgestellt und auch einige Hunde waren draußen. Ich

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