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Der Glanz des Mondes

Der Glanz des Mondes

Titel: Der Glanz des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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entgegenreiten.«
    Kenji runzelte die Stirn, als er über den Fluss spähte. »Irgendetwas stimmt nicht«, sagte er leise.
    »Was denn?«
    »Ich weiß es nicht. Sei auf der Hut und überquere nicht die Brücke.«
    Als ich den Rappen leicht antrieb, sagte Endo: »Ich bin der älteste Gefolgsmann des Otoriclans. Lassen Sie mich Lord Arai die Nachricht überbringen, dass wir uns ergeben haben.«
    »Sehr gut«, antwortete ich. »Sagen Sie ihm, er soll seine Armee auf der anderen Seite des Flusses ihre Lager aufschlagen lassen, und geleiten Sie ihn in die Stadt. Dann können wir den Frieden bekräftigen, ohne dass auf beiden Seiten noch weiteres Blut vergossen wird.«
    Endo ritt auf die Brücke und Arai hielt an und wartete auf der anderen Seite. Als Endo fast die Mitte erreicht hatte, hob Arai plötzlich seine Hand mit dem schwarzen Kriegsfächer darin.
    Es folgte ein Moment der Stille. Neben mir rief Zenko: »Sie spannen ihre Bogen!«
    Der Kriegsfächer fiel.
    Obwohl es direkt vor meinen Augen geschah, konnte ich es nicht glauben. Einen Moment lang starrte ich ungläubig auf die ersten fallenden Pfeile. Endo ging augenblicklich zu Boden, dann fielen die Männer am Ufer, unbewaffnet und überrascht, abgeschossen wie Jagdwild.
    »Das«, sagte Kenji und zog sein Schwert. »Das ist es, was nicht gestimmt hat.«
    Nur einmal war ich vorher so verraten worden, aber damals waren es Kenji selbst und der Stamm gewesen. Dieser Verrat war der eines Kriegers, dem ich Gefolgschaft geschworen hatte. Hatte ich dafür Jo-An getötet? Wut und Entrüstung ließen alles vor meinen Augen verschwimmen. Ich hatte das uneinnehmbare Schloss eingenommen, die Brücke stehen lassen, die Männer befriedet. Ich servierte Arai Hagi, meine Stadt, wie einen reifen Pfirsich und mit ihr die Drei Länder.
    In der Ferne heulten Hunde. Es klang wie der Aufschrei meiner eigenen Seele.
    Arai ritt auf die Brücke und kam in der Mitte zum Stehen. Er sah mich und nahm seinen Helm ab. Es war eine höhnische Geste. Er war sich seiner eigenen Stärke, seines Sieges sehr sicher. »Danke, Otori!«, rief er. »Was für eine gute Arbeit Sie geleistet haben. Ergeben Sie sich nun oder müssen wir es ausfechten?«
    »Sie werden vielleicht über die Drei Länder herrschen!«, brüllte ich zurück. »Aber Ihre Falschheit wird auch lange nach Ihrem Tod noch nicht vergessen sein!« Ich wusste, dass mir meine letzte Schlacht bevorstand, und wie ich es immer schon geahnt hatte, würde mein Gegner Arai sein. Ich hatte nur nicht damit gerechnet, dass es so schnell passieren würde.
    »Es wird niemand übrig bleiben, um darüber zu schreiben«, erwiderte er spöttisch. »Denn ich beabsichtige die Otori ein für alle Mal auszulöschen.«
    Ich beugte mich hinunter, packte Zenko und zog ihn vor mir aufs Pferd. Dann griff ich nach meinem Kurzschwert und hielt es ihm an den Hals.
    »Ich habe deine beiden Söhne hier. Willst du sie zum Tode verurteilen? Ich schwöre dir, dass ich Zenko auf der Stelle und nach ihm Taku töten werde, noch ehe du hier bist. Gib den Befehl zum Rückzug!«
    Seine Miene veränderte sich leicht und er wurde blass. Taku stand reglos neben Kenji. Auch Zenko rührte sich nicht. Beide Jungen starrten ihren Vater an, den sie seit Jahren nicht gesehen hatten.
    Arais Züge verhärteten sich und er lachte. »Ich kenne dich doch, Takeo. Ich kenne deine Schwäche. Du bist nicht als Krieger erzogen worden; zeig uns, ob du dich überwinden kannst, ein Kind zu töten!«
    Ich hätte augenblicklich und unbarmherzig handeln müssen, aber ich tat es nicht. Ich zögerte. Wieder lachte Arai.
    »Lass ihn los!«, rief er. »Zenko! Komm her zu mir.«
    Fumio rief mir leise zu: »Takeo, soll ich ihn erschießen?«
    Ich kann mich nicht erinnern, was ich erwiderte. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich Zenko losließ. Ich hörte den gedämpften Knall der Feuerwaffe und sah, wie Arai in seinem Sattel zusammenzuckte, als die Kugel ihn traf und über dem Herz die Rüstung durchschlug. Von den Männern, die ihn umringten, kam ein Aufschrei der Wut und des Entsetzens, und man hörte das Gescharre der Hufe seines Pferdes, das sich aufbäumte. Zenko schrie, doch all diese Geräusche waren nichts im Vergleich zu dem Donnergrollen, das folgte, als die Welt unter den Beinen meines Pferdes begann sich selbst entzweizureißen.
    Die Ahornbäume am anderen Ufer erhoben sich nahezu graziös und stolperten den Hang hinab, rissen Arais Soldaten mit sich, hüllten sie in Geröll und Erde und fegten sie

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