Der Glanz des Mondes
anderen Seite befestigt werden«, sagte ich zu Jo-An.
»Es wird jemand hinüberschwimmen«, antwortete er.
Einer der jüngeren Männer schlang sich eine Seilrolle um die Taille und sprang ins Wasser. Doch die Strömung war viel zu stark für ihn. Wir sahen, wie seine Arme auf der Oberfläche hin und her ruderten, dann verschwand er in den gelben Fluten. Halb ertrunken zogen sie ihn wieder zurück ans Ufer.
»Gib mir das Seil«, sagte ich.
Jo-An blickte ängstlich die Böschung hinab. »Nein, Herr, warten Sie«, flehte er mich an. »Wenn die Männer kommen, kann doch von ihnen einer hinüberschwimmen.«
»Wenn sie kommen, muss die Brücke fertig sein«, erwiderte ich. »Gib mir das Seil.«
Jo-An löste es von dem jungen Mann, der inzwischen aufrecht saß und Wasser spuckte. Er reichte es mir. Ich schlang es mir fest um die Taille und trieb Aoi an. Das Seil glitt ihm über die Flanken, er machte einen erschrockenen Satz nach vorn und war bereits im Wasser, noch ehe er richtig begriffen hatte, was passierte.
Ich rief ihn, um ihn zu ermutigen, und er stellte ein Ohr nach hinten, um auf meine Stimme zu horchen. Bei den ersten Schritten hatte er noch Bodenkontakt. Dann stieg ihm das Wasser bis zur Schulter und er begann zu schwimmen. Ich versuchte seinen Kopf die ganze Zeit auf jene Stelle auszurichten, an der wir hoffentlich an Land gehen würden, aber trotz seiner Kraft und seines guten Willens war die Strömung einfach stärker und trug uns den Fluss hinab, auf die Überreste der alten Brücke zu.
Ich schaute hinüber, und was ich sah, gefiel mir ganz und gar nicht. Die Strömung schleuderte Äste und anderen Unrat gegen die Pfeiler, und wenn mein Pferd sich darin verfing, würde es in Panik ausbrechen und uns beide in die Tiefe reißen. Ich spürte und fürchtete die Macht des Stroms. Und dem Hengst erging es ebenso. Er hatte die Ohren flach angelegt und rollte mit den Augen. Zum Glück verlieh ihm die Angst zusätzliche Energie. Er nahm seine ganze Kraft zusammen und paddelte mit allen vier Beinen. Wir kamen mit einigen Armlängen Abstand an den Pfeilern vorbei und plötzlich ließ die Strömung nach. Wir hatten die Mitte passiert. Wenig später spürte Aoi offenbar wieder Boden unter sich, begann zu bocken und versuchte mit großen Sätzen aus dem Wasser herauszukommen. Er erklomm den festen Uferboden und blieb einfach stehen, den Kopf gesenkt, mit bebenden Flanken, seine kurz zuvor noch spürbare Kraft war vollkommen erloschen. Ich glitt von seinem Rücken, tätschelte seinen Hals und sagte ihm, dass sein Vater ein Wassergeist gewesen sein müsse, so hervorragend, wie er geschwommen sei. Wir waren beide völlig durchnässt, eher vergleichbar mit Fischen oder Fröschen als mit Landbewohnern.
Ich spürte den Zug des Seils um meine Taille und fürchtete, es könnte mich zurück ins Wasser ziehen. Halb kriechend, halb kletternd arbeitete ich mich hinauf zu einem Wäldchen am Ufer des Flusses. Die Bäume umgaben einen kleinen Schrein zu Ehren des Fuchsgottes, zumindest den weißen Statuen nach zu urteilen, und ihre Stämme standen bis zu den untersten Ästen im Wasser. Es umspülte die Sockel der Statuen, wodurch die Füchse aussahen, als würden sie auf der Wasseroberfläche treiben. Ich legte das Seil um den Stamm des nächsten Baumes, ein kleiner Ahorn, der gerade zu knospen begann, und zog kräftig daran. Es war an einem sehr viel stärkeren Seil befestigt. Ich spürte sein nasses Gewicht, als es schwerfällig aus dem Fluss auftauchte. Als die Länge reichte, befestigte ich es an einem anderen, größeren Baum. Dann wurde mir klar, dass ich auf die ein oder andere Weise wahrscheinlich den Schrein entweihen würde, aber im Moment kümmerte es mich nicht, welchen Gott, Geist oder Dämon ich beleidigte, solange ich meine Männer sicher über den Fluss brachte.
Ich lauschte ununterbrochen. Trotz des Regens konnte ich nicht glauben, dass dieser Ort so verlassen war, wie er zu sein schien. Schließlich hatte die zerstörte Brücke zu einer offensichtlich viel benutzten Straße geführt. Durch den rauschenden Regen und das Tosen des Flusses vernahm ich die Schreie der Milane, das hundertfache Quaken von Fröschen, die das feuchte Wetter priesen, und aus dem Wald schallte das schroffe Schnarren der Krähen. Doch wo waren all die Menschen?
Kaum war das Seil gesichert, hangelten sich an die zehn Ausgestoßene daran über den Fluss. Im Vergleich zu mir so viel erfahrener, knüpften sie alle meine Knoten noch einmal
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