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Der Glanz des Mondes

Der Glanz des Mondes

Titel: Der Glanz des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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schwer. Also rammte ich ihm Jato in die Kehle und durchschnitt Schlagader und Luftröhre. Selbst jetzt floss das Blut nur schwerfällig. Die Fersen des Hünen zuckten, sein Rücken bog sich durch, aber er erwachte nicht. Schließlich versiegte sein Atem.
    Ich hatte gedacht, er wäre allein, aber plötzlich drang ein Geräusch aus der Hütte und ich drehte mich um und sah einen sehr viel kleineren Mann aus der Tür huschen. Er brüllte irgendetwas Unverständliches, setzte über den Erdwall hinter der Hütte und verschwand in den Wald.
    Ich öffnete den Schlagbaum eigenhändig, wobei ich einen Blick auf die abgetrennten Häupter warf und mich fragte, wer sie wohl waren. Zwei der älteren fielen zu Boden, als ich die hölzerne Sperre bewegte, und aus ihren Augenhöhlen krochen Insekten. Ich legte sie ins Gras und kehrte, schaudernd und voll des Ekels, zu meinem Pferd zurück. Aois Bein war angeschwollen und blutete an der Stelle, wo die Kette ihn getroffen hatte, obwohl es nicht gebrochen zu sein schien. Er konnte zwar noch gehen, lahmte aber stark. Ich führte ihn zurück ans Flussufer.
    Der Kampf erschien mir wie ein böser Traum, doch je mehr ich darüber nachsann, desto besser fühlte ich mich. Jin-emon hätte mich töten können - dann hinge mein abgeschlagener Kopf nun am Grenzbaum neben den anderen -, doch die Kräfte des Stamms hatten mich von ihm befreit. Dies entsprach offensichtlich voll und ganz der Prophezeiung. Wenn solch ein Ungeheuer mich nicht töten konnte, wer dann? Als ich das Flussufer erreichte, durchströmte mich neue Energie. Was ich dort sah, verwandelte sie jedoch augenblicklich in Wut.
    Die Brücke lag an Ort und Stelle, aber diesseits des Flusses erwarteten mich nur die Ausgestoßenen. Der Rest meiner Armee harrte immer noch am gegenüberliegenden Ufer aus. Die Ausgestoßenen hatten sich mit jener Verdrossenheit hingekauert, die ich allmählich als eine Reaktion auf die irrationale Verachtung begriff, die alle Welt ihnen entgegenbrachte.
    Jo-An hockte da und starrte mit düsterer Miene auf die wirbelnden Fluten. Als er mich bemerkte, erhob er sich.
    »Sie wollen nicht hinüberkommen, Lord. Sie müssen wohl zu ihnen gehen und es befehlen.«
    »Das werde ich«, erwiderte ich und spürte, wie meine Wut wuchs. »Nimm das Pferd, wasch ihm die Wunde aus und führe es herum, damit es nicht friert.«
    Jo-An übernahm die Zügel. »Was ist geschehen?«
    »Ein Gefecht mit einem Dämon«, erwiderte ich knapp und trat auf die Brücke hinaus.
    Als sie mich sahen, ging ein Aufschrei durch die Menge der wartenden Männer am anderen Ufer, aber keiner von ihnen wagte sich auf das andere Ende der Brücke. Es war nicht leicht, auf ihr zu laufen - eine schlingernde Masse, zum Teil überflutet, an der die Strömung riss und zerrte. Ich rannte halb und dachte dabei an den Nachtigallenboden, über den ich in Hagi so leichtfüßig hinweggelaufen war. Und zugleich betete ich zu Shigerus Geist und bat um seinen Beistand.
    Als ich das andere Ufer erreichte, saß Makoto ab und packte mich am Arm. »Wo bist du gewesen? Wir fürchteten, du wärst tot.«
    »Das hätte auch leicht geschehen können«, erwiderte ich wütend. »Wo wart ihr?« Ehe er antworten konnte, kam Kahei herangeritten.
    »Was hat diese Verspätung zu bedeuten?«, schalt ich ihn. »Lass die Männer aufbrechen.«
    Kahei zögerte. »Sie fürchten, durch den Kontakt mit den Ausgestoßenen unrein zu werden.«
    »Steig ab!«, sagte ich, und als er vom Rücken seines Pferdes glitt, ließ ich sie beide die volle Wucht meines Zorns spüren. »Wegen eurer Torheit wäre ich fast umgekommen. Wenn ich einen Befehl erteile, erwarte ich, dass er umgehend ausgeführt wird, ganz gleich, was ihr darüber denkt. Wenn euch das nicht passt, dann reitet auf der Stelle zurück, nach Hagi, zurück zum Tempel, wohin ihr wollt, Hauptsache mir aus den Augen.« Ich sprach mit gedämpfter Stimme, weil ich nicht wollte, dass sämtliche Krieger es mit anhörten, doch ich sah, wie sehr meine Worte die beiden beschämten. »Also, schickt als Erstes die Reiter, die lieber schwimmen möchten, ins Wasser. Dann schafft ihr die Packpferde auf die Brücke, während die Nachhut bewacht wird, dann das Fußvolk, immer nur dreißig auf einmal.«
    »Lord Otori«, sagte Kahei. Er sprang wieder in den Sattel und galoppierte an den Truppen vorbei davon.
    »Vergib mir, Takeo«, sagte Makoto leise.
    »Das nächste Mal töte ich dich«, erwiderte ich. »Gib mir dein Pferd.«
    Ich ritt die Reihen der

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