Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
Atem, und in der Brust wird es mir so eng. Das vergeht schon wieder, Bonnie hätte Sie nicht belästigen sollen. Bestimmt haben Sie etwas Wichtigeres zu tun.«
»Nein, eigentlich nicht. Ich habe ein paar Tage Urlaub.«
»Dann sollten Sie sich erholen und sich nicht mit mir abgeben«, brummelte Jock, ehe ihn wieder ein krampfartiger Hustenanfall schüttelte.
»Das macht mir keine Mühe, Sir. Ich habe das im Übrigen von mir aus vorgeschlagen, als ich Sie husten hörte. Mir war klar, dass das kein gewöhnlicher Husten ist«, erwiderte Lyle.
Als er ans Bett trat und Jock gründlicher musterte, gab er sich Mühe, seine Besorgnis zu verbergen, weil Bonnie immer noch in der Tür stand – aber ihr entging das nicht. Stark wie ein Ochse, so kannte Lyle Millies Vater von früher, aber jetzt wirkte er sehr krank und doppelt so alt, wie er war.
»Eine Tasse Tee wäre schön, Mrs. Evans«, bat Lyle.
»Aber natürlich.« Bonnie verließ gleich das Schlafzimmer, um Tee zu kochen.
Lyle ging vor Jock in die Hocke. »Ich habe mein Stethoskop nicht dabei. Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gern mein Ohr an Ihren Brustkorb legen, damit ich Ihre Lungen abhören kann, einverstanden?«
»Na schön«, meinte Jock, dem sichtlich unbehaglich zumute war. »Aber Sie vergeuden Ihre Zeit.«
Jock knöpfte seine Schlafanzugjacke auf, und Lyle legte ihm sein Ohr auf den Brustkorb. Er bat ihn, so tief einzuatmen, wie er nur konnte. Jock bemühte sich, aber das tiefe Einatmen führte zu einem weiteren Hustenanfall. Lyle bemerkte, dass sich Jock die Seite hielt. Entweder hatte er Wasser in der Lunge oder einen Rippenbruch aufgrund des heftigen Hustens.
»Es ist doch bloß eine Erkältung, oder?«, fragte Jock, als er wieder Luft bekam.
»Es könnte eine Lungenentzündung sein, aber durchaus auch etwas anderes«, antwortete Lyle und setzte sich neben Jock aufs Bett. Dann sprach er im Flüsterton. »Mein Vater erzählte mir, jemand bei Ihnen auf der Arbeit habe Tuberkulose. Sie wissen doch, wie ansteckend das ist, nicht, Mr. Evans?«
»Herr im Himmel, sagen Sie bloß nichts zu Bonnie oder Millie«, erwiderte Jock leise und drehte sich zur Tür um.
»Das werde ich nicht, wenn Sie einverstanden sind, im Krankenhaus ein paar Untersuchungen machen zu lassen.«
Wider Erwarten war es nicht schwer, Jock davon zu überzeugen, dass dies unerlässlich war. Lyle verabschiedete sich von ihm und verließ das Schlafzimmer, um in die Küche zu gehen, wo Millie und ihre Mutter auf ihn warteten. Lyle erklärte ihnen gleich, seiner Meinung nach habe Jock nicht die Spanische Grippe.
»Es könnte eine Lungenentzündung sein, aber ehe sich das bestätigt, müssen im Krankenhaus ein paar Untersuchungen durchgeführt werden.«
»Im Krankenhaus«, sagte Bonnie. »Nie und nimmer kriege ich Jock ins Krankenhaus.« Sie reichte Lyle eine Tasse Tee und einen Teller mit Haferplätzchen.
»Er ist schon damit einverstanden«, erwiderte Lyle.
»Was? Mein Jock?«
»Ja, ich habe ihn überzeugt, dass er die Untersuchungen machen lassen muss. Ich glaube, er hätte jetzt auch gern eine Tasse Tee.«
Bonnie goss eine Tasse für ihren Mann ein und brachte sie ins Schlafzimmer.
Millie sah Lyle an. »Du musst meinem Vater ja gehörig Angst gemacht haben, dass er freiwillig ins Krankenhaus geht, Lyle. Sag mir die Wahrheit«, flüsterte sie. »Wird er wieder gesund?«
»Ich bin sicher, dass er wieder gesund wird. Ich habe einen Verdacht – Lungenentzündung.« Er wollte sie nicht beunruhigen und sagte deshalb nicht, dass er in Wirklichkeit Tuberkulose vermutete. Lyle wusste, dass einer von sieben Patienten mit Tuberkulose starb. »Dein Vater ist einer der kräftigsten Männer in Dumfries. Er wird sich wieder erholen.«
»Ich habe gehört, ein Mann bei Dad auf der Arbeit hat Tuberkulose«, sagte Millie. »Ted McNichol ist das. Du erinnerst dich doch noch an Ted, oder?«
»Ja, natürlich«, sagte Lyle. »Du hast doch deiner Mutter nicht von Ted erzählt, oder?«
»Nein«, antwortete Millie. Aber Lyles Frage machte sie nur noch besorgter. »Glaubst du, dass Dad sich angesteckt hat?«
»Schwer zu sagen, Millie. Er wird die Untersuchungen im Krankenhaus abwarten müssen.«
»Ach, Lyle, ich bin ja so froh, dass du hier bist«, sagte Millie. Sie umarmte ihn und fing an zu weinen.
Lyle fühlte sich hilflos. Konnte er ihr jetzt sagen, dass er eine andere liebte? Er hatte es sich so fest vorgenommen, aber es ging einfach nicht. Es war nicht der rechte
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