Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
Junge, aber wenn der Krieg aus ist, und es heißt, das könne sehr bald der Fall sein, wird dieses Mädchen dann immer noch da sein, und wirst du dann immer noch dieselben Gefühle für es hegen?«
»Im Moment weiß ich nur eines sicher: Ich werde Elena Fabrizia lieben, solange ich lebe«, erklärte Lyle beharrlich.
»Wenn sie Fabrizia heißt, ist sie wohl Italienerin«, sagte Tom und runzelte die Stirn.
»Ja, ihre Eltern sind italienische Katholiken.«
»Dann steht dir ziemlich viel Ärger ins Haus, mein Sohn.«
»Wie meinst du das, Dad?«
»Ich habe doch wohl Recht, wenn ich annehme, dass du die Familie dieser Elena noch nicht kennengelernt und auch noch nicht den Segen dieser Leute hast?«
Lyle ließ den Kopf sinken. »Ja, aber unsere Beziehung ist auch erst ein paar Wochen alt.«
»Wenn mich mein Wissen über italienische Katholiken nicht trügt, wird ihr Vater erwarten, dass sie einen Landsmann, einen Katholiken, heiratet, und eine entsprechende Ehe arrangieren. Ein schottischer Protestant wird sein Haus gar nicht erst betreten dürfen.«
Lyle verließ der Mut. »Ich weiß, es wird Hindernisse geben, aber die werden wir aus dem Weg räumen.«
»Das Mädchen wird von der Familie verstoßen werden, Lyle. Hast du denn nicht schon genug Schwierigkeiten?«
Lyle war verzweifelt. »Ich liebe Elena so sehr. Kann ich denn gar nichts tun?«
»Was ist mit Millie? Sie glaubt, dass sie eines Tages deine Frau wird, das ist nicht gerade ein Geheimnis. Deiner Mutter hat sie erzählt, sie habe die Aussteuer zusammen und sogar das Hochzeitskleid schon ausgesucht.«
»Ich habe Millie noch keinen Heiratsantrag gemacht, Dad«, wehrte Lyle ab.
»Das stimmt. Aber sie ist sicher, dass ihr eine gemeinsame Zukunft haben werdet, sofern der Krieg das nicht verhindert. Du solltest sehr vorsichtig sein, ehe du das für etwas wegwirfst, was womöglich nur eine Kriegsromanze ist.«
Es war schon spät, aber Lyle beschloss, Millie noch an diesem Abend aufzusuchen, um mit ihr zu sprechen. Das Herz war ihm schwer, als er jetzt an die Tür des Hauses ihrer Familie klopfte. Lyle hatte seinen warmen Mantel eng um sich gezogen und den Kragen hochgeschlagen, aber er vermochte ihn nicht genügend vor Regen und Wind zu schützen.
Millie öffnete die Tür, und ihre Miene hellte sich auf, als ob hundert Kerzen angezündet würden. »Lyle!«
Sie warf sich Lyle in die Arme und gab ihm einen warmen Kuss auf die vor Kälte ganz blauen Lippen. Sein völlig durchnässter Mantel schien sie gar nicht zu stören.
Lyle hatte sich das Hirn zermartert bei dem Versuch, seine Gefühle für Millie mit denen für Elena zu vergleichen. Ja, er liebte Millie, aber es war nicht dieselbe Liebe, die er für Elena empfand. Wenn er an Millie dachte, dann mit Wärme und Zärtlichkeit. Seit der Schulzeit kannte er die quirlige junge Frau mit den Sommersprossen auf der Nase und den üppigen rostroten Locken, und in den letzten vier Jahren waren sie oft miteinander ausgegangen. Er fühlte sich wohl in ihrer Gegenwart.
Die Art Liebe, die er für Elena empfand, war völlig anders. Sein Herz raste, wann immer er sie sah. Er sehnte sich danach, sie zu berühren, und sei es auch nur für einen kurzen Augenblick. Der Gedanke, seine Zukunft mit ihr zu teilen und Kinder mit ihr zu haben, erfüllte ihn mit Freude.
»Wieso hast du mir denn nicht Bescheid gegeben, dass du kommst? Ich hätte mich doch hübsch für dich gemacht«, sprudelte es aus Millie heraus, während sie ihn ins Haus zog, weg aus dem kalten Wind. Der November war in diesem Jahr besonders rau. Es regnete und stürmte nahezu jeden Tag. Lyle konnte bis in das kleine Wohnzimmer sehen, in dem ein warmes und einladendes Feuer im Kamin brannte.
»Ich … mein Urlaub ergab sich ganz plötzlich, also dachte ich, ich nutze die Gelegenheit und fahre einfach nach Hause«, antwortete Lyle, als sie das gemütliche Zimmer betraten, wo er sich die Hände am Kaminfeuer wärmte. Sie schwiegen, und in der Stille hörte Lyle jemanden in einem anderen Zimmer husten. »Wie geht es deinen Eltern?«
»Sie sind schon im Bett«, sagte Millie. Auch sie hatte sich bereits bettfertig gemacht. Sie trug einen Morgenmantel und Hausschuhe.
»Tut mir leid, dass ich so spät noch störe«, entschuldigte sich Lyle. »Nach einer Unterhaltung mit Mom und Aileen bin ich noch mit Dad auf ein Bier ins Mulligan’s Inn gegangen. Aileen hat mir von Andrew erzählt. Es geht ihm gut.« Millies Bruder Andrew arbeitete in derselben Munitionsfabrik
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