Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
Plötzlich kam ihr ein furchtbarer Gedanke. Sie sah Aldo an, dann ihren Vater. Mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck schauten sie beide erst Elena, dann einander an. Bestimmt dachte ihr Vater doch nicht daran, dass sie und Aldo … Elena verließ der Mut.
»Du wirst Australien herrlich finden, Elena«, fügte ihr Vater begeistert hinzu und tunkte den Rest Suppe aus seinem Teller mit einem Stück Brot auf, das er geräuschvoll aufsog. Diese Gewohnheit hatte Elena immer innerlich zusammenzucken lassen, aber Aldo machte es genauso wie Luigi.
Elena sah ihre Mutter an, die sie mit wachem Blick musterte, beinahe, als wollte sie ihre Tochter herausfordern, sich den Plänen des Vaters entgegenzustellen. Jetzt, da sie Lyle begegnet war und sich in ihn verliebt hatte, wollte sie nicht mehr nach Australien auswandern. Auf gar keinen Fall.
»Mögen Sie die Sonne, die Wärme, Elena?«, fragte Aldo sie.
»Natürlich«, antwortete sie vorsichtig. »Ich liebe den Sommer in England. Dann sind die Tage so lang.« Elena merkte, dass ihr Vater sie aufmerksam beobachtete. Und er wartete auf Aldos Reaktion auf das, was sie gesagt hatte. Plötzlich wusste sie ohne jeden Zweifel, dass ihr Vater hoffte, sie würde Aldo Corradeo gern genug haben, um ihn zu heiraten. Das Herz wollte ihr schier zerspringen. »Wenn Sie mich bitte entschuldigen«, sagte sie jäh und sprang auf. »Ich habe Kopfschmerzen.« Sie fühlte sich plötzlich tatsächlich nicht wohl.
»Setz dich, Elena, wir haben schließlich einen Gast«, sagte ihr Vater mit strengem Tonfall.
Zögerlich setzte Elena sich wieder und sah Hilfe suchend ihre Mutter an. Luisa war sichtlich unbehaglich zumute. Sie sammelte die leeren Suppenteller ein und brachte sie zur Spüle. Dann stellte sie saubere Teller auf den Tisch und eine große Schüssel Nudeln mit Soße, die sie in dem launischen Ofen warmgehalten hatte. Luisa teilte die Nudeln aus, während Elena wie erstarrt dasaß. Sie hatte den Appetit verloren.
»Iss, Elena«, befahl ihr Vater. »Du arbeitest so viele Stunden im Krankenhaus, du musst bei Kräften bleiben.«
Elena schwieg. Sie stocherte in ihrem Essen herum, in dem Bewusstsein, dass Aldo sie beobachtete.
»Erzähl Aldo von deiner Arbeit im Krankenhaus«, schlug Luigi vor.
»Ich bin sicher, das interessiert niemanden, Papà«, erwiderte Elena, die nun mehr denn je davon überzeugt war, dass ihr Vater sie verheiraten wollte.
»Ich würde liebend gern etwas von Ihrer Arbeit hören, wenn Sie davon erzählen möchten«, sagte Aldo freundlich.
»Natürlich möchte sie das«, sagte Luigi. »Na los, Elena«, drängte er.
Elena wurde allmählich wütend. »Ich denke, die furchtbaren Verwundungen, die ich jeden Tag zu sehen bekomme, sind alles andere als ein angemessenes Gesprächsthema beim Essen, Papà«, sagte sie.
»Du musst ja nicht in die Einzelheiten gehen, Elena«, sagte ihr Vater entnervt.
Eine Weile schaute Elena auf ihren Teller, dann begann sie unwillig, Aldo von ihrer Arbeit im Krankenhaus zu erzählen. Da sie jetzt ganz sicher war, dass ihr Vater eine Verbindung zwischen ihr und Aldo im Sinn hatte, ertrug sie es kaum, Aldo in die Augen zu sehen. Sie wollte ihn auf keinen Fall auf irgendeine Art ermutigen, ihr Herz gehörte Lyle und niemand anderem. Aldo stellte ihr Fragen, und ihr Vater sang ihr ein Loblied, weil sie so viel arbeitete und so begabt und tüchtig war. Elena kam sich vor wie ein Tier, das auf einer Viehauktion angeboten wurde, aber nicht wie eine selbstständige junge Frau, die in der Lage war, sich allein einen Partner fürs Leben zu suchen. Es war demütigend.
Als die Männer ihren Kaffee mit ins Wohnzimmer nahmen und Elena zur Spüle ging, um ihrer Mutter beim Abwasch zu helfen, füllten sich ihre Augen mit Tränen.
»Was für ein netter Mann, Elena«, sagte Luisa sanft.
»Ich werde ihn nicht heiraten, Mamma. Es ist mir egal, was Papà sagt.« Beinahe wäre es aus ihr herausgeplatzt, dass sie einen anderen Mann liebte, aber so weit wollte sie noch nicht gehen.
»Das wird sich schon finden, Elena. Wenn erst einmal dieser schreckliche Krieg zu Ende ist und wir nach Australien übersiedeln, wird sich alles ändern. Wir werden ein besseres Leben haben. Die ganze Zeit wird es warm sein, und die Sonne wird scheinen. Australien ist ein so großes, weites Land. Ein wunderbares Land, um Kinder aufzuziehen.«
Elena begriff, dass sich ihre Mutter auf die Zukunft freute, aber sie beide hatten ganz unterschiedliche Meinungen von dem, was die
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