Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
Zeitpunkt.
Erleichtert und dankbar für den Aufschub verabschiedete Lyle sich von Millie, aber er wusste, er konnte nur vorübergehend aufatmen.
Jock wurde ins Krankenhaus eingewiesen und auf den Kopf gestellt. Als Lyle drei Tage später mit dem Zug nach Blackpool zurückfuhr, lagen die Testergebnisse, die eine Tuberkulose bestätigt oder ausgeschlossen hätten, allerdings noch nicht vor. Lyle hatte beschlossen, sich von Millie zu trennen, ohne ihr von Elena zu erzählen. Aber solange sie sich solche Sorgen um ihren Vater machte, brachte er das nicht übers Herz. Er überlegte, ob er ihre Freundschaft vielleicht per Brief lösen sollte, aber ihm war klar, dass Millie etwas Besseres verdiente. Er wollte nicht feige sein, er schwor sich, zurückzukommen und sich von ihr zu trennen, wenn es ihrem Vater wieder besser ging.
2
»Hier riecht es ja wunderbar«, sagte Elena zu ihrer Mutter, als sie in die Wohnküche des zweigeschossigen kleinen Reihenhäuschens auf der Warbreck Road kam. Es war ihr freier Tag, also hatte sich Elena in der Gemeinschaftswaschküche auf der High Street um die Wäsche der Familie gekümmert.
Luisa Fabrizia hatte die Wohnräume mit bunten Stoffen und kleinen Souvenirs aus ihren Jahren in Italien dekoriert, aber das über hundert Jahre alte Haus war in schlechtem Zustand, düster und feucht, und das ließ sich nicht verbergen. Die Fabrizias wohnten zur Miete, deshalb sah Luigi keinen Grund, sein hart verdientes Geld für die Reparatur der hängenden Decken und zerborstenen Dielenbretter, der gesprungenen Fensterscheiben und der schlecht schließenden Türen auszugeben. Bedauerlicherweise hatte auch der Vermieter nicht vor, Geld auszugeben.
»Wir haben einen Gast zum Abendessen, Elena. Bitte deck den Tisch mit dem guten Porzellan«, wies Luisa ihre Tochter an.
Ihr Vater kam mit einem Brennholzkorb aus dem Wohnzimmer. Er warf Elena, die ein Hauskleid und Hausschuhe trug, einen missbilligenden Blick zu.
»Zieh dir ein hübsches Kleid an heute Abend, Elena, und mach etwas Nettes mit deinen Haaren«, sagte er, ehe er durch die Hintertür nach draußen ging, um Holz für den Ofen zu holen.
»Was für ein Gast kommt denn heute Abend, Mamma?«, fragte Elena und begann, Besteck und Geschirr zum Tisch zu tragen.
»Aldo Corradeo ist der Sohn von einem Freund deines Großvaters aus Sardinien. Er kommt aus derselben Gegend wie dein Papà – aus Santa Maria Coghinas auf Sardinien.«
»Kennst du ihn?«, fragte Elena. Sie war dankbar für die Ablenkung, denn sie dachte die ganze Zeit nur an Lyle. Sie vermisste ihn so sehr.
»Er war bei unserer Hochzeitsfeier, aber da war er noch ein Kind, ich würde ihn nicht wiedererkennen. Dein Onkel Alfredo versichert, dass er zu einem sehr netten Mann herangewachsen ist«, fügte Luisa hinzu.
»Onkel Alfredo findet doch alle italienischen Männer nett, genau wie Papà«, flüsterte Elena ihrer Mutter zu. »Auch andere Männer sind sehr nett, einige Ärzte im Krankenhaus zum Beispiel.«
Luisa warf ihrer Tochter einen erschrockenen Blick zu. »Lass so was nur deinen Vater nicht hören«, zischte sie ihr zu.
»Wäre es denn so schrecklich, wenn ich mich in einen Mann verliebe, der kein Italiener ist?«, fragte Elena.
Ungläubig starrte Luisa ihre Tochter an. »An so was darfst du nicht mal denken«, sagte sie.
Gerade in dem Moment kam Luigi durch die Hintertür mit dem Brennholzkorb herein. »Worüber redet ihr?«, fragte er. Anscheinend war ihm die Anspannung der beiden Frauen in der Küche sofort aufgefallen.
»Ich meinte, Elena darf nicht mal daran denken, dass das Essen heute nicht gelingen könnte, da wir doch einen Gast haben«, antwortete Luisa.
»Du bist die beste Köchin, die ich kenne«, erklärte Luigi mit Nachdruck. »Natürlich wird das Essen gelingen.«
Luisa sah ihre Tochter an. Sie hoffte, dass Elena endlich einsah, was für ein unbeirrbarer Mann ihr Vater war, wenn es ihr nicht längst bewusst war. Als Luigi ins Wohnzimmer ging, um Holz nachzulegen, wandte sich Luisa erneut an ihre Tochter.
»Mit einem Arzt aus dem Krankenhaus anzubandeln, Elena, das schlag dir bloß aus dem Kopf«, sagte sie.
»Aber Mamma …«
»Da gibt es kein Aber, Elena«, erklärte Luisa energisch. »Und jetzt deck den Tisch.«
Luisa fuhr fort, das Essen zuzubereiten, Elena jedoch schwor sich, mit Lyle davonzulaufen, wenn es sein musste. Sie liebte ihre Eltern, aber der Gedanke, Lyle aufgeben zu müssen, war ihr unerträglich.
Eine Stunde später traf der Gast
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