Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
wieder war Millie schneller.
»Ich verstehe, was du durchmachst, Lyle«, unterbrach sie ihn.
»Wirklich?«, fragte Lyle. Vielleicht würde sie ihn ja wirklich verstehen.
»Ich habe damit gerechnet, dass diese Erfahrung dich verändern würde. Solange sich an deinen Gefühlen für mich nichts ändert, kann ich damit umgehen.«
»Millie, manchmal ändern sich die Umstände …«, versuchte er eine Erklärung, aber sie unterbrach ihn erneut.
»Wenn ich dich jetzt eine ganze Weile nicht sehe, lass mir eine Erinnerung, Lyle. Schlaf mit mir, bitte.«
Lyle war verzweifelt. Ehe er noch etwas sagen konnte, küsste sie ihn leidenschaftlich, zog ihn an sich und legte sich auf dem Sofa zurück. Das Feuer knisterte behaglich, als Millie ihm mit derselben Sehnsucht, die er schon einmal, vor seiner Abreise, bei ihr gesehen hatte, in die Augen schaute.
Lyle verkrampfte sich. »Dein Vater, Millie …«
»Der steht schon nicht auf. Keiner wird uns stören.«
Wieder suchte sie ungeduldig seinen Mund.
»Hör auf, Millie«, sagte Lyle, löste sich aus ihrer ungestümen Umarmung und setzte sich auf.
»Was ist denn?«, fragte Millie mit geröteten Wangen.
Lyle sah, dass sie gekränkt war. Sicherlich fragte sie sich, ob die furchtbaren Erlebnisse im Hospital dazu geführt hatten, dass er nicht mehr mit einer Frau zusammen sein konnte.
»Der Husten deines Vaters hört sich schlimm an. Ich fürchte, es könnte etwas Ernsthaftes sein.«
»Meinst du?« Millie richtete sich auf und zog den Gürtel ihres Morgenmantels, der sich gelöst hatte, zu.
Lyle stand auf. »Ja. Ich muss ihn mir mal ansehen.« Lyle fiel ein, dass er seine Arzttasche nicht bei sich hatte, aber er würde auch ohne sie einen ersten Eindruck vom Krankheitsbild Jocks gewinnen.
Millie erhob sich nun ebenfalls und ging zum Schlafzimmer ihrer Eltern. Als sie nach ihrer Mutter rief, machte diese fast sofort auf.
»Was ist denn, Millie?«, flüsterte sie.
Es war im Grunde nicht nötig zu flüstern, denn Jock konnte ohnehin nicht schlafen. Millie hörte, wie er nach Atem rang.
»Lyle ist hier, und er will sich Dad mal ansehen«, antwortete Millie mit drängendem Unterton.
Bonnie Evans war erleichtert. Noch eine schlaflose Nacht voller Sorgen würde sie nicht durchstehen.
»Das ist nicht nötig«, rief Jock. »Sag ihm, er soll nach Hause gehen.«
»Das mache ich ganz bestimmt nicht«, zischte Bonnie. Sie nahm ihren Morgenmantel von einem Haken an der Innenseite der Tür, verließ das Schlafzimmer und ging Millie nach in die Küche, wo Lyle wartete.
»Hallo, Lyle«, sagte sie und band sich den Morgenmantel zu, ehe sie vergebens versuchte, ihre widerspenstigen Locken zu zähmen.
»Tut mir leid, dass ich Sie aus dem Bett geholt habe, aber wie sich Jocks Husten anhört, gefällt mir gar nicht«, sagte Lyle.
»Der sture alte Esel will nicht zum Arzt«, jammerte Bonnie. »Ich habe solche Angst, dass er sich womöglich was eingefangen hat … Die Spanische Grippe ist doch im Umlauf.«
»Ach, Mom, das meinst du nicht im Ernst, oder?«, fragte Millie entsetzt.
Bonnies blaue Augen füllten sich mit Tränen. »Doch«, antwortete sie.
»Wir wollen nichts übereilen«, sagte Lyle, während er gemeinsam mit Millies Mutter zum Schlafzimmer ging.
Lyle waren die dunklen Ringe unter Bonnies Augen aufgefallen, und er wusste, dass sie mehr als nur eine schlaflose Nacht gehabt hatte. Als Bonnie Licht im Schlafzimmer machte, fand er seine Vermutung bestätigt. Lyle sah Jock vornübergebeugt auf dem Bettrand sitzen, sein Gesicht hatte eine ungesunde graue Farbe. Mühsam rang er nach Atem. Dieser Zustand war sicherlich nicht innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden eingetreten – er währte schon länger. Lyle konnte sich nicht daran erinnern, Jock jemals so krank gesehen zu haben. Doch sein beharrlicher Stolz schien zu verhindern, dass er selbst das auch so sah. Einsicht war noch nie seine Stärke gewesen.
»Lyle wird nur mal kurz nach dir sehen, Jock«, sagte Bonnie.
»Mach nicht solch einen Aufstand, Frau«, grummelte er. »Ich hab mir bloß eine üble Erkältung eingefangen.«
Er hustete und atmete pfeifend, sein Gesicht lief dunkelrot an.
»Das ist keine Erkältung, und das wissen wir beide«, gab Bonnie verärgert zurück. »Jetzt lass Lyle nach dir sehen. Und du wirst alles tun, was er sagt.« Sie schob Lyle ins Schlafzimmer.
»Guten Abend, Mr. Evans«, sagte Lyle verlegen. »Ihnen geht es nicht ganz so gut, oder, Sir?«
»Ich bin bloß ein bisschen außer
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