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Der Glanzrappe

Der Glanzrappe

Titel: Der Glanzrappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Händen hielt, Knochen war oder verrotteter Verbandsstoff. Er blickte hoch und sah, wie der Hengst sie beobachtete. Robey meinte, so was wie Neugier in seinen Augen zu erkennen.
    »Es gibt ein Naturgesetz«, sagte der Vater, »daß nach einer großen Schlacht immer Regen oder Schnee fällt. In Frankreich und Deutschland ist das auch so. Ich wußte, deine Mutter würde alles tun, um mich zu finden.«
    »Sie hat mich losgeschickt, als General Jackson ums Leben kam.«
    »Ich war dabei«, sagte der Vater.
    »Als er getötet wurde?«
    »Ich war dabei«, wiederholte der Vater.
    Zusammen mit dem Verband lösten sich immer mehr Hautfetzen und Knochensplitter und abgestorbenes Gewebe ab. Dann sah er das schwarze Loch in der Wange des Vaters.
    »Das juckt wie der Teufel«, sagte der Vater und tastete mit der Hand in Richtung seines Gesichts, gab dann aber auf und ließ die Hand wieder sinken. »Vielleicht bleiben wir noch einen Tag hier, und dann bringst du mich zu deiner Mutter nach Hause.«
    »Ja, Vater«, sagte er, und es schnürte ihm die Kehle zu, den geschundenen Kopf seines Vaters im Schoß zu halten und zu sehen, wie die Maden durch seine Finger hinab in den Schoß fielen.
    Der Vater wurde von einem Krampf geschüttelt, seufzte tief und wurde wieder ruhiger, als wäre ein weiteres Stück von ihm gestorben, hätte seinen Körper verlassen , und die Hoffnung, es zurückzubekommen, wurde immer kleiner. Robey arbeitete zügig und kratzte mit der Messerklinge behutsam das faulende Gewebe ab. Dann verband er die Wunde mit dem sauberen Leinenstoff, den er an diesem Tag von den beiden Frauen erstanden hatte, legte sich neben den Vater und bettete dessen zerschundenen Kopf an seine Brust.
    »Vielleicht kannst du später einen Karren und ein Pony beschaffen. Ich meine nicht stehlen, wir können das ja zurückgeben.«
    »Das mach ich«, sagte er und dachte, das ist mein Vater und ich bin sein Sohn, und dieser Gedanke ließ ihn ruhiger werden.
    »Oder vielleicht morgen abend«, sagte der Vater. »Wenn ich mich noch einen Tag erholen kann, bin ich stärker.«
    »Morgen«, wiederholte Robey und dachte, die Aufregung in seinem Gesicht würde ihm die Tränen heraustreiben, doch dem war nicht so. »Es war an der Zeit, daß du ein bißchen Schlaf bekommst«, schlug er vor.
    »Bald«, sagte der Vater.
    »Bald«, wiederholte Robey .
    In dieser Nacht wurde er durch einen Schuß geweckt und hörte einen Mann aufschreien. Die Nacht hatte keine Erholung von der Hitze des Tages gebracht, und jetzt auch noch ein Gewehrschuß. Er setzte sich auf und sah zu den flachen Gräbern hinüber, die im Mondlicht einen phosphoreszierenden Schimmer verbreiteten. Er stieg aus der frisch ausgehobenen Erde auf, und durch diesen schwachen Schein sah Robey geduckt Wildschweine rennen, die sich daranmachten, die frisch Beerdigten wieder a uszugraben. Vom hinteren Ende des Feldes der Sterbenden hörte er einen Schrei, Kampfgeräusche und dann einen lauten Fluch, der die anderen Verletzten weckte und sich als langgezogenes Stöhnen über die ganze Reihe hinweg fortsetzte.
    Er packte einen abgebrochenen Säbel und lief die Reihe entlang, bis er auf einen Soldaten traf, der sich auf einen Arm hochstützte. Der Soldat gab unverständliche Laute von sich, hielt einen Revolver in die Ferne gerichtet. Seine Augen, die Nase, die Lippen und der Mund waren von Granatsplittern zerfetzt.
    »Mein Bein«, sagte er wieder und wieder.
    Er deutete mit dem Lauf des Revolvers auf ein Wildschwein, das nicht weit weg von ihm mit Fressen beschäftigt war, und Robey verstand zunächst nicht, was der Soldat ihm erklärte, daß es sein Bein sei, was das Schwein da fraß, daß er schon wisse, daß das Bein nicht mehr an seinem Körper hing, daß er aber trotzdem die nagenden Zähne des Wildschweins spüre.
    »Es nagt an meinem Schienbein, das tut weh«, rief er und zielte mit dem Revolver ins Dunkel.
    Neben ihm lag ein Soldat auf dem Rücken, sog laut rasselnd Luft ein und stieß beim Ausatmen kleine Schaumblasen aus, die ihm als weiße Schleimspur die Wangen hinabliefen und sich auf einer Seite zwischen Ohr und Hals aufstauten. Direkt über der Schläfe hatte eine Kugel eine Furche in den Schädelknochen gerissen. Aus dieser Öffnung wölbte sich das Hirn, hing in Flocken und Fäden herunter. Dann hörte er auf zu atmen und war tot.
    »Bleib hier«, sagte der Soldat, »laß mich nicht allein. Ich kann nichts sehen.«
    »Die Schweine sind da drüben«, sagte Robey und zeigte auf die

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