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Der Glanzrappe

Der Glanzrappe

Titel: Der Glanzrappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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die Gelegenheit beim Schopf , und bald taten ihm die Arme vom vielen Heben so weh, daß er sie kaum noch bewegen konnte. Anfangs weigerte er sich, von den Frauen Geld anzunehmen, aber dann gab er nach und hob die wenigen Münzen auf, die sie vor ihm auf den Boden legten, weil sie seine blutverschmierten, glitschigen Hände nicht anfassen wollten.
    Mit dem Geld ging er in die Stadt, um Wasser und einen neuen Verband für seinen Vater zu kaufen. Auf dem Weg sah er auf der Treppe vor einem grauen Steinhaus zwei Frauen sitzen, eine ältere und eine jüngere. Direkt neben der Treppe blühten Fliederbüsche, und Lilien hatten auf dünnen, gebogenen Stengeln ihre weißen Kelche geöffnet. Er vermutete, daß sie Mutter und Tochter waren. Sie lachten, als ob nichts passiert wäre, und er konnte sich eines Lächelns nicht erwehren, als er sah, wie fröhlich sie trotz dieser Umgebung schienen. Er öffnete das Gartentor und bat sie mit trockener Kehle um einen Schluck Wasser.
    »Wasser«, sagte die Ältere, »nach dem, was du getan hast, willst du Wasser?«
    Er drehte langsam den Kopf nach links und nach rechts. Sosehr er sich auch bemühte, er kam nicht darauf, was er getan haben sollte.
    »Das weißt du nicht?« fragte die Frau und beantwortete dann die Frage für ihn. »Du hast die Vögel verscheucht, die kommen nie mehr zurück. «
    D ie beiden Frauen lachten über diesen Witz.
    »Ein Schluck Wasser fünf Cent, ein Glas fünfzig«, sagte die Jüngere zu ihm.
    Er hielt ihr die Hand mit den Münzen hin, und sie forderte ihn auf, näher zu kommen. Über einen Weg aus roten Ziegelsteinen, der von zertrampelten gelben Blumen gesäumt war, ging er zu ihnen. Die jüngere Frau hatte blaue Augen und schielte, und über ihre Wangen zogen sich tiefrote Äderchen. Sie hatte die Arme um die angezogenen Beine geschlungen und das Kinn auf die Knie gelegt. Die Ältere sah aus, als wäre ihr Gesicht verbrüht worden, aber das war es nicht. Der Schweiß rann an ihrem schmalen Gesicht hinab und sammelte sich in der kleinen Kuhle zwischen Hals und Schulter. Die beiden Frauen drückten sich Stofftücher vors Gesicht, durch die sie tief einatmeten, und zwischen ihnen stand eine verstöpselte Flasche mit Rosenwasser. Robey hielt ihnen die Silbermünzen noch einmal hin, und die jüngere Frau bedeutete ihm, sie in den Beereneimer zu ihren Füßen zu legen. Dann stand die Ältere auf und verschwand im Haus.
    »Brot?« fragte er.
    »Ein Laib zwei Dollar«, sagte die Jüngere mit wachsender Ungeduld in der Stimme.
    Auch dieses Geld ließ er in den Beereneimer fallen. Diesmal beugte er sich dabei vor und schaute in den Eimer, und er sah, daß er bereits voller Münzen und Scheine war.
    »Weg da«, sagte sie mit harter Stimme. »Nicht so nah ran. – Bring einen Laib Brot mit«, rief sie ins Haus.
    Die ältere Frau kam mit einem Glas Wasser und einem Brot, das kleiner war als ein Brötchen. Sie scheuchte ihn weg, und als er zurück zum Gartentor ging, folgte sie ihm und stellte das Glas und das Brot ein Stück vor ihm auf den Ziegelsteinen ab. Dann eilte sie zurück zur Treppe, setzte sich und gab ihm mit einem Nicken zu verstehen, daß er jetzt zugreifen konnte.
    »Trink das Wasser, und geh«, sagte sie. »Und nimm das Brot mit. Das kannst du hier nicht essen.«
    »Hätten Sie auch ein Stück Leinen für einen Kopfverband?« fragte er, nachdem er das Glas in einem Zug geleert hatte.
    »Zwei Dollar.«
    Er zahlte auch das, nahm den zusammengerollten Stoff entgegen und entfernte sich durchs Gartentor. Hinter ihm lachten die beiden Frauen wieder über etwas, was er nicht verstand.
    Auf dem Weg zurück durch die dichter werdende Menge kam er an einem Friedhof vorbei, wo eine Frau neben einer Reihe toter Soldaten ein Grab aushob. Das Gras hinter dem schmiedeeisernen Tor schimmerte bläulich, und er verspürte den Drang, hineinzugehen und sich in dieses Gras zu stellen. Als er dort stand, kam ihm das Schlachtfeld draußen in der sengenden Sonne wie weiß gebleicht vor.
    Fasziniert von der Ruhe diese Ortes strich er zwischen den zerborstenen Steinplatten auf dem Friedhof umher. Auch hier hatte der Krieg gewütet, und an manchen Stellen wirkte der Boden wie umgepflügt. Die Grabsteine waren zerbrochen und viele Gräber durch Granateinschläge beschädigt. Die Grabmale, die man umgekippt hatte, damit sie Deckung boten, waren jetzt wie mit Pockennarben übersät. In den Leichen der Männer, die hinter den Steinen zusammengesackt waren, steckten noch die Geschosse

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