Der Glasmaler und die Hure
befand. Er prüfte die Strohmatratze und meinte: »Hier werden wir uns niederlassen. Wie lange ist es her, daß wir in einem richtigen Bett geschlafen haben?«
Berthold war in Gedanken noch immer bei den Frauen. »Hoffentlich lassen sie die Weiber am Leben«, sagte er leise. »Die Junge mit den runden Arschbacken würde ich gern mit in dieses Bett nehmen.«
»Sie würde dir wohl die Augen auskratzen.« Rupert schaute sich in der Kammer um, entdeckte aber nichts, was für sie von Wert gewesen wäre.
»Wir sollten …«, sagte Rupert, als sie aus dem Zimmer traten. Doch er stockte, als er ein Messer neben Berthold aufblitzen sah. Schnell stieß er seinen Bruder zur Seite und ergriff den Arm des alten Mannes, der Berthold niederstechen wollte. Der Greis besaß nicht die Kraft, sich gegen Rupert zu wehren. Rupert rang dem Alten das Messer aus der Hand, drängte ihn an die Wand und stieß die Waffe tief in sein Herz. Der Greis röchelte kurz und sackte zu Boden.
Die Vorstellung, daß dieser Kerl um ein Haar seinen Bruder verletzt hätte, machte Rupert rasend. Zornig trat er auf den leblosen Körper ein.
»Laß es gut sein, Rupert«, sagte Berthold schließlich und legte eine Hand auf Ruperts Schulter. »Der Alte ist tot. Du kannst ihm nichts mehr antun.«
Rupert schnaufte. »Der Hundsfott wollte dich töten.«
»Was sollte mir schon geschehen, wenn du über mich wachst«, meinte Berthold, der ein schiefes Grinsen aufsetzte und sich neben die Leiche kniete. »Du bist besorgt um mich wie um ein Kind.«
»Es war dein Glück, daß der Alte sich dir von der linken Seite genähert hat.« Rupert deutete auf seine leere rechte Augenhöhle.
Berthold zwängte dem Toten die Finger der linken Handauseinander, die ein Ledersäckchen umklammert hielten. »Rupert, schau!« Berthold schnürte den Beutel auf und ließ eine Handvoll Münzen auf den Bretterboden fallen.
Sie zählten achtzehn Gulden und fünf Zinsgroschen.
»Herrje«, raunte Berthold. »Fast soviel wie der monatliche Sold eines Feldwebels. Kein Wunder, daß der Alte die Münzen mit seinem Leben verteidigt hat.«
Rupert nickte. Dies war die wertvollste Beute, die ihnen in den vergangenen Monaten in die Hände gefallen war. Endlich schien sich ihnen das Glück wieder zuzuwenden. Die guten Zeiten lagen für Rupert und Berthold lange zurück. Nach der Schmach von Breitenfeld hatten sie dem katholischen Heer den Rücken gekehrt und sich wieder den Schweden angeschlossen. Damals war es die richtige Entscheidung gewesen. Auch das sie nicht nach Halberstadt gezogen, sondern zum Hauptheer nach Mainz gestoßen waren, hatte sich als Vorteil herausgestellt. Sie wurden dort gut versorgt und konnten reichlich Beute machen. Doch dann war eine schwere Zeit über sie gekommen. Während die Armee in Nürnberg belagert wurde, wären sie fast vor Hunger gestorben. Zudem hatte ein schweres Fieber an Bertholds Kräften gezerrt. Rupert hatte viele Talismane für seinen Bruder gekauft, die ihn schließlich hatten gesunden lassen.
Obwohl die Armee vor zwei Monaten aus Nürnberg abgezogen war, erging es ihnen weiter schlecht. Sie ernährten sich von kargen Rationen, spürten die heraufziehende Kälte in ihre Knochen kriechen und waren zudem in nur siebzehn Tagen in einem unbarmherzigen Gewaltmarsch von Bayern nach Sachsen gehastet. Diese enorme Anstrengung forderte einen hohen Tribut. Tausende Pferde waren auf den morastigen Wegen verendet, und auch vielen ihrer Kameraden hatte dieser Marsch das Leben gekostet. Erst hier vor Naumburg in diesem Gehöft schien sich das Blatt endlich zu ihren Gunsten zu wenden. Sie konntenin einem Bett schlafen, sich an den Vorräten des Bauern gütlich tun und waren nun im Besitz der Münzen.
Rupert hielt einen Gulden vor Bertholds Gesicht. »Ver giß die kreischenden Weiber dort unten«, sagte er. »Hier mit kannst du zu den Huren gehen und dir die Prallste von ihnen in dein Bett holen.«
Mit klammen Fingern zog Thea das Wolltuch enger um ihre Schultern. Ihr war kalt, und die Füße schmerzten. Sie hielt sich ein Stück abseits der Hurenquartiere auf, doch nah genug, um das lustvolle Stöhnen und Keuchen zu hören, das wie ein schiefer Chor hinter den Segeltuchplanen der Wagen erklang.
Das Quartier der Dirnen befand sich am westlichen Rand des Armeelagers. Dutzende Gefährte waren hier im Karree aufgestellt worden. Die Huren hockten auf den Kutschböcken oder posierten offenherzig vor den Wagen und lockten die herumstreifenden Landsknechte mit
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