Der Glasmaler und die Hure
in dasFeldlager hielt sie den Rest des Brotes wie einen Schatz umklammert. Sie würde es heute abend mit Martin und Katharina teilen. Auch wenn das Brot nicht unbedingt schmackhaft war, würde es ihren Magen besser füllen als die Baumrinde, die Katharina gestern zu einer Suppe ausgekocht hatte.
Mit müden Beinen passierte Thea die Soldatenunterkünfte. Neidvoll betrachtete sie die Landsknechte, die vor den Zelten und Hütten hockten. Zwar mußten auch die Soldaten mit knappen Rationen auskommen, aber jedermann wußte, daß die Offiziere bemüht waren, die Kampffähigkeit ihrer Einheiten aufrechtzuerhalten, indem sie Proviant aus den letzten geheimen Vorratslagern heranschafften.
Thea blieb stehen und schaute einem hageren Kerl nach, der einen Käfig mit mehreren Hühnern zu seinen Kumpanen trug, die vor einem der Zelte einen Krug kreisen ließen. Sie mußte an das Versprechen denken, das sie Martin gegeben hatte.
Das Knurren ihres Magens ließ sie die letzten Bedenken vergessen. Mit einem koketten Lächeln trat sie auf die Soldaten zu, deren neugierige Augen sie sofort fixierten.
»Was haben wir denn da?« meinte einer der Kerle, dessen Gesicht von einem struppigen, verfilzten Bart bedeckt wurde.
Thea stellte sich neben ihn und spielte mit den Fingern in seinem Haar. »Ihr seht aus, als könntet ihr die Gesellschaft einer Frau vertragen.«
Ein anderer runzelte die Stirn und meinte: »An der ist nichts dran. Sie ist zu dürr.«
»Zeig mir in dieser Stadt eine Frau mit Speck auf den Rippen.« Thea deutete auf den Hühnerkäfig. »Aber ihr könntet ja in eurem eigenen Interesse dafür sorgen, daß mein Fleisch wieder etwas weicher und griffiger wird.«
Der Bärtige lachte. »Gut gesprochen, Mädchen.« Erstand auf und zog das Tuch vor dem Zelteingang zur Seite. »Warum trittst du nicht ein?«
Thea zögerte kurz, dann folgte sie dieser Aufforderung.
Verzeih mir, Martin,
dachte sie, als sie das dunkle Zelt betrat und der Bärtige gierig seine Arme um sie legte.
VIERTER TEIL
Kapitel 16
Die Rotte trat in einer Reihe aus dem Wald. Sie folgte dem Handzeichen des Korporals, der sie an diesem naßkalten Novembermorgen über einen lehmigen Acker führte, um den Befehl des Proviantmeisters auszuführen. Ihnen war aufgetragen worden, das Gehöft zu requirieren, das sich auf dieser Lichtung befand und das Vieh des Bauern zum Heer zu schaffen.
Ihre Schar bestand aus elf Männern. Sibold, der Korporal, achtete stets darauf, daß die Gruppe eine ungerade Zahl aufwies. Anderenfalls, so behauptete er, würden sie ein Unglück provozieren.
Niemand zweifelte an Sibolds Worten oder nannte es gar einen Aberglauben. Sie alle hielten große Stücke auf den alten Haudegen, der länger als jeder andere von ihnen in diesem Krieg kämpfte. Sibold hatte bereits vor mehr als zehn Jahren auf seiten der böhmischen Truppen die Schlacht am Weißen Berg bestritten. Eine abgetrennte Hand, das von einem Splittergeschoß zerfetzte Ohr sowie eine gräßlich vernarbte Wange zeugten davon, daß dieser knorrige Veteran mehr Erfahrung darin besaß, den Tod zu überlisten, als der gesamte Rest der Rotte.
Das Gehöft, dem sie sich näherten, bestand aus einem zweigeschossigen Hauptgebäude, zwei Stallungen und einem Gatter. Noch immer setzten sie ihre Schritte auf einer Linie. Elf Männer in zerfetzter und schmutziger Kleidung, mit Schärpen um den Leib, in denen Messer, Pistolen und Pulverhörner steckten. Einige von ihnen waren mit Partisanen bewaffnet, andere trugen rostige Musketen. Ihre Stulpenstiefel versanken im feuchten Lehmboden.Jeder Schritt wurde von einem schmatzenden Laut begleitet.
Sie hatten sich dem Gehöft bis auf hundert Schritte genähert, da trat ein schmächtiger Knabe aus einem der Ställe und blieb wie erstarrt stehen, als er die Landsknechte erblickte. Im nächsten Moment stürmte er so hastig in das Haus, als würde er von einem Rudel Wölfe verfolgt.
Sibold hob die Hand. Augenblicklich verharrten die Söldner und warteten ab. Kurz darauf vernahmen sie Stimmen. Die Tür des Hauptgebäudes wurde geöffnet. Drei Männer und der Knabe traten ihnen entgegen. Sie trugen Äxte und Forken in den Händen. Vor ihnen baute sich ein großer, struppiger Hund auf, der Sibolds Schar kläffend fixierte.
Sibold wandte seinen Kopf zur Seite und raunte: »Ru pert , mach dich bereit.«
Rupert zog die geladene Pistole aus seiner Schärpe, hielt sie hinter seinem Rücken verborgen und spannte den Hahn. Er machte einen Schritt zur Seite,
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