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Der Glasmaler und die Hure

Der Glasmaler und die Hure

Titel: Der Glasmaler und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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frivolen Bemerkungen zu sich.
    Vor allem in diesen Tagen, da der Zeitpunkt der Schlacht unweigerlich näher rückte, konnten sich die Huren über mangelndes Interesse an den von ihnen angebotenen Diensten nicht beschweren. Die Furcht der Soldaten vor dem Verlust ihres Lebens weckte in ihnen das Begehren, noch einmal bei einer Frau zu liegen, bevor sie dem Feind entgegentraten. Selbst die häßlichsten Dirnen fanden jemanden, der bereit war, sie für einen Liebesdienst zu entlohnen.
    Thea indes harrte seit geraumer Zeit abseits der Wagen aus, ohne daß auch nur ein Mann sie beachtet hätte. Sie wagte es nicht, sich näher zu den anderen Huren zu stellen, denn die barschen Weiber wurden schnell handgreiflich, wenn sich eine Frau zu ihnen gesellte, die keinen eigenen Wagen führte. Als weiteres Hindernis erwies sich das Wetter, denn bei der naßkalten Witterung zogen es dieSöldner vor, es mit den Huren auf einem trockenen Lager unter einem Plandach zu treiben.
    Allmählich fragte sich Thea, ob es überhaupt einen Sinn hatte, noch länger an diesem Fleck zu verweilen, wo ihre Füße im Morast versanken und der Nieselregen sie frösteln ließ.
    Thea mußte an die Zeit in Nürnberg denken. Als das Elend unerträglich geworden war, hatte sie sich oft zwei- oder gar dreimal an einem Tag an die Landsknechte verkauft und damit Martin, Katharina und sich selbst vor dem Hungertod bewahrt. Zumeist hatte sie sich bereits für einen Kanten Brot hergegeben, mit ein wenig Glück war sie an manchen Tagen an einen Offizier geraten, der ihr frisches Fleisch mit auf den Weg gab. Einmal hatte ein Hauptmann sie gar an seiner Tafel speisen lassen. Gierig wie ein ausgehungertes Tier hatte sie alles Eßbare in sich hineingestopft, bis ihr der Bauch schmerzte.
    Nach dem Überfluß im Lager bei München und der beschwerlichen Zeit in Nürnberg war im Herbst ein normaler Zustand eingekehrt. Die Rationen blieben knapp, doch niemand in der Armee hungerte, und auch die Leute im Troß wußten sich zu versorgen, sei es durch ehrliche Arbeit oder durch die unvermeidlichen Plünderungen, unter denen das Umland einmal mehr arg zu leiden hatte.
    Martin hatte nie erfahren, daß sie sich wieder an die Männer verkaufte. Sie nutzte die Zeit, die er an der Seite von Meister Albrecht verbrachte, so daß er völlig ahnungslos blieb.
    Anders verhielt es sich mit Katharina. Thea konnte es ihrem finsteren Blick ansehen, daß sie ahnte, warum Thea nach Stunden der Abwesenheit stets mit einigen Münzen oder Proviant in ihr Quartier zurückkehrte. Dennoch hatte Katharina niemals eine abfällige Bemerkung von sich gegeben, sondern stillschweigend das Fleisch, Gebäck oder Gemüse mit verspeist, das Thea heranschaffte. Der Hungerund die Sorge um den nächsten Tag machten sie zu Verbündeten.
    Die Furcht, daß Martin irgendwann einmal von ihrem Vertrauensbruch erfahren könnte, belastete Thea sehr. Für sie war es ohne Bedeutung, ob sie ihren Körper verkaufte, doch er würde es nicht verstehen und ihr gewiß heftige Vorwürfe machen. Inzwischen dachte sie oft darüber nach, ob es überhaupt noch sinnvoll war, sich den Männern anzubieten. Martin erhielt inzwischen von Meister Albrecht einen Lohn für seine Arbeit, und er behandelte in den Abendstunden zudem zahlreiche Patienten, die ihm seine Hilfe auch ab und an mit Obst, Gemüse oder gar gedörrtem Fleisch vergüteten. Das alles reichte aus, sie zu ernähren, nicht aber, um wirklich satt zu werden.
    Inzwischen beschränkte Thea sich darauf, nur noch an jedem dritten oder vierten Tag das Hurenquartier aufzusuchen. Vor allem der heraufziehende Winter machte ihr zu schaffen. In den Städten hätte sie sich mit den Kerlen in eine windgeschützte Gasse zurückziehen können, wo sie zudem vor neugierigen Blicken geschützt waren. Doch hier war sie gezwungen, es hinter einem Gebüsch oder im Wald zu treiben.
    Thea hatte beschlossen, sich nicht mehr zu verkaufen, wenn der erste Schnee fiel. Vielleicht fand dieses Kapitel in ihrem Leben dann einen Abschluß.
    Noch immer schenkte ihr niemand Beachtung. Zerknirscht betrachtete Thea den nur wenige Schritte entfernten Hurenwagen. Ein lautes Grunzen und spitze, kurze Schreie drangen von dort herüber. Thea war nicht entgangen, daß innerhalb der vergangenen Stunde bereits der dritte Landsknecht zwischen den Beinen der fleischigen Dirne lag. Sie fragte sich inzwischen, ob es an ihrem Äußeren lag, daß die Männer an ihr kein Interesse zeigten. Sie war hübscher anzusehen als

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