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Der Glasmaler und die Hure

Der Glasmaler und die Hure

Titel: Der Glasmaler und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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verweilten kurz im Erdgeschoß, dann stießen sie die Kellertür auf. Schritte näherten sich.
    Martin überlegte, ob es im Keller dunkel genug war, um die Tür zum Vorratsraum vor den Augen der Landsknechte zu verbergen. Fredeke machte diese schwache Hoffnung jedoch schnell zunichte.
    Martin spürte, wie die Magd in seinem Arm unter der Anspannung immer heftiger zitterte. Sie gab ein ängstliches Schluchzen von sich, zunächst nur leise, dann immer vernehmlicher.
    »Sei ruhig!« raunte Martin ihr zu, doch seine Worte verstärkten Fredekes Furcht nur noch. Sie japste nach Luft und wimmerte immer lauter und schriller.
    »Da ist jemand«, hörte Martin einen der Männer sagen. Die Schritte näherten sich der Tür. Jemand rüttelte am Griff, und Fredeke schrie auf.
    Ein kräftiger Tritt zerbrach die schwache Verriegelung und schleuderte die Tür nach innen. Martin zog die beiden Frauen zurück und preßte sich mit ihnen in eine Ecke. Einen Moment lang blieb es still, dann ertönte eine rauhe, kratzende Stimme aus dem Dunkel.
    »Kommt hervor, oder ich schieße auf euch!«
    Ihnen blieb keine Wahl. Der Raum war winzig. Eine Muskete oder Pistole würde das Ziel selbst im Dunkeln nicht verfehlen. Zögernd trat Martin aus der Kammer. Im Keller konnte er die Umrisse von zwei Männern ausmachen. Einer von ihnen richtete eine Pistole auf ihn, der andere hielt einen Degen. Sophia und Fredeke stellten sich neben Martin. Mit zitternden Fingern tastete er nach der Hand seiner Frau.
    »Nach oben!« wies ihn der Söldner mit der Pistole an.
    Nun glaubte Martin die Stimme zu erkennen.
    »Rupert?« fragte er vorsichtig.
    »Halt’s Maul und rauf!« erklang es barsch. Sie wurden nach oben in die Werkstatt geführt. Hier erkannte Martin, daß tatsächlich Rupert in sein Haus eingedrungen war. Der junge Bursche an seiner Seite, der den Degen auf sie richtete, sah Rupert sehr ähnlich.
    »Du mußt Berthold sein«, sagte Martin und schaute seinem Vetter fest in die Augen. »Du warst noch ein Kind, als wir uns zum letzten Mal begegnet sind.«
    Berthold antwortete ihm nicht. Martin sah ihm an, daß ihm die Situation nicht zu behagen schien. Ja, er wirkte regelrecht ängstlich.
    Rupert bedrohte sie weiterhin mit der Pistole und betrachtete die silberne Kette, die Martin trug. Seine Hand schnellte hervor und riß ihm das Medaillon vom Hals. Er betrachtete das Schmuckstück zufrieden. »Wir wollen mehr davon. Wo habt ihr eure Wertsachen versteckt? Redet!«
    »Sei nicht dumm, Rupert«, sagte Martin. »Magdeburg brennt. Wir alle befinden uns in Gefahr. Versteckt euch mit uns im Keller, aber, in Gottes Namen, senkt die Waffen.«
    Ein rothaariger Mann betrat die Werkstatt. Martin durchfuhr ein brennendes Unbehagen, als er sah, daß der Kerl das Magdeburger Glasgemälde im Arm trug.
    »Was haltet ihr davon? Sehr bunt und vielleicht von Wert.« Seine Stimme überschlug sich, als gehörte sie einem aufgeregten Weib.
    »Idiot!« Rupert machte einen Schritt auf den Rothaarigen zu und schlug mit seiner Pistole in das Gemälde. Die Bleistege hielten das Glas noch zusammen, doch als der Rothaarige es vor Schreck fallen ließ, zersplitterte es auf dem Boden. Martin stöhnte auf. Die Arbeit von Monaten, zerstört in wenigen Momenten.
    Der Rote verzog ärgerlich das Gesicht, doch seine Miene hellte sich auf, als er Sophia und Fredeke in Augenschein nahm.
    »Dann nehme ich mir etwas, was nicht so zerbrechlich ist.« Er trat auf Fredeke zu und griff ihr zwischen die Beine.
    »Bist du noch unberührt, mein Vögelchen?«
    Fredeke schrie auf und stieß so heftig gegen die Brust des Rothaarigen, daß er zu Boden stürzte. In ihrer Panik stürmte die Magd aus der Werkstatt. Berthold wollte nachihr greifen, erwischte sie aber nicht. Sie hatte bereits die Tür erreicht, als Rupert seine Pistole hob und auf ihren Rücken richtete. Sophia sprang auf ihn zu und drückte seinen Waffenarm nach unten. Sein Zyklopenauge funkelte böse. Mit einem brutalen Schlag in Sophias Gesicht entledigte er sich ihrer.
    Martin sah seine Frau zurücktaumeln. Seine Wut ließ ihn jede Vernunft vergessen. Er wollte Rupert umstoßen, doch bevor er ihn fassen konnte, richtete sein Vetter auch schon die Waffe auf ihn. Es knallte, und aus dem Lauf schoß eine Pulverwolke hervor. Martin begriff zunächst überhaupt nicht, daß er getroffen worden war. Er merkte nur, daß er sich nicht mehr bewegen konnte. Auf seinem Wams breitete sich oberhalb der rechten Hüfte ein Blutfleck aus. Er taumelte nach

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