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Der Glasmaler und die Hure

Der Glasmaler und die Hure

Titel: Der Glasmaler und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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an der Pforte in Brand gesteckt haben. Allem Anschein nach hatten sie das Stadttor bereits in ihre Gewalt gebracht.
    »Martin, was geschieht hier?« Auch Sophia kam auf die Straße gelaufen. In der Tür stand Fredeke, die mit bangem Blick das hektische Treiben auf der Straße beobachtete.
    »Es ist möglich, daß die Kaiserlichen in die Stadt eingedrungen sind.« Er nahm Sophia für einen Augenblick in den Arm, um ihr das Gefühl von Schutz zu geben. »Laß uns ins Haus gehen«, meinte er dann. Sie begaben sich mit Fredeke in die Stube im ersten Stockwerk, wo sich ihnen ein besserer Blick über die Stadt bot. Von diesem Platz aus erkannten sie, daß die Häuser um die Hohe Pforte tatsächlich in Flammen standen. Martin konnte jedoch nicht ausmachen, ob sich bereits kaiserliche Soldaten in der Stadt befanden.
    »Sie haben schon so oft vergeblich angegriffen«, versuchte Martin den beiden Frauen Mut zu machen. »Unsere Musketenschützen werden sie zurücktreiben.«
    Sophia starrte gebannt auf den Rauch und ergriff seine Hand. Ihre Finger waren kalt. »Ich habe Angst, Martin.«
    »Und ich auch«, jammerte Fredeke. Martin winkte die Magd zu sich heran und nahm auch sie in den Arm. Es war der einzige Trost, den er den beiden Frauen geben konnte, denn auch er fürchtete sich vor dem, was dieser Tag mit sich bringen mochte.
    Während der nächsten Augenblicke sprach keiner von ihnen. Sie lauschten dem weiter anschwellenden Krachen der Kanonen und Musketen. Selbst aus dieser Entfernung war ein Gewirr aus wütenden Stimmen und Schreien zu vernehmen. Fredeke sank auf die Knie, faltete die Hände und sprach mit zitternder Stimme mehrere Gebete.
    Bald änderte sich das Bild auf der Straße. Die Verteidiger strömten nicht länger zum nördlichen Tor, sondern befanden sich auf dem Rückzug. Zu Dutzenden wichen sie vor der feindlichen Übermacht zurück. Viele der Männer mußten gestützt oder getragen werden. Sie bluteten aus klaffenden Wunden. Martin sah Soldaten mit zerfetztenArmen oder Beinen, die sich die Seele aus dem Leib schrien, während sie aus der Kampflinie geschleppt wurden.
    »Sie werden uns alle töten«, rief Fredeke. Sie schlug die Hände vor das Gesicht und heulte auf.
    »Still, du Gans!« Sophias heftige Zurechtweisung sorgte dafür, daß die Magd nur noch lauter schluchzte.
    Martin hob die Hände und versuchte die beiden Frauen zu beruhigen. Zumindest er mußte einen klaren Kopf bewahren. Er atmete tief ein und wollte Fredeke gut zureden, doch in diesem Moment brach das Inferno los.
    Bereits die erste Explosion in der Ferne ließ den Boden unter ihren Füßen erzittern. Die zweite erfolgte in einer Nebenstraße und riß sie fast von den Beinen. Die Pokale und die Leuchter fielen von den Simsen und schepperten zu Boden. Martin griff gerade noch rechtzeitig nach dem Glasgemälde, bevor es von der Staffelei kippte.
    »Um Gottes willen!« Sophia war auf die Knie gestürzt und schaute ungläubig aus dem Fenster. Auch Martin wandte seinen Blick nach draußen und konnte nicht fassen, was dort vor sich ging. In der gesamten Stadt schossen gewaltige Säulen aus Pulverdampf in die Höhe. Eine Detonation nach der anderen schickte ein schmerzhaftes Klingen in seine Ohren. Martin war nicht fähig, sich zu rühren oder auch nur zu atmen. Sebastian hatte sich nicht getäuscht. Man gab Magdeburg auf und opferte die Stadt den Flammen, bevor sie den Kaiserlichen in die Hände fiel. Martin zählte vierzig bis fünfzig Explosionen, von denen jede die Kraft besaß, ein ganzes Haus in sich zusammenstürzen zu lassen, dann endeten die Detonationen und hinterließen zahlreiche Brandherde, die bereits auf die umstehenden Fachwerkhäuser übergriffen.
    »Wir müssen uns in Sicherheit bringen«, sagte Sophia. »Der Dom wird uns Schutz bieten. Sie werden es nicht wagen, ein Gotteshaus niederzubrennen.«
    Martin schüttelte den Kopf. »In dieser Stadt ist kein Ortmehr sicher. Kein Haus, keine Kirche und auch nicht der Dom.«
    Er schloß die Fensterläden und drängte Sophia und Fredeke zur Tür. »Die Kaiserlichen werden bald in der ganzen Stadt sein. Wir können das Haus nicht mehr verlassen.«
    »Also verstecken wir uns im Keller?«
    »Wir schließen uns dort ein, bis die Plünderungen vorüber sind.«
    Sie eilten in das Kellergeschoß, wo sich neben einem großen Lagerraum noch eine schmale Vorratskammer befand, dessen Holztür von innen mit einem Riegel verschlossen werden konnte. Martin hatte diesen Riegel in Erwartung des

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