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Der Glasmaler und die Hure

Der Glasmaler und die Hure

Titel: Der Glasmaler und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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im Troß verschacherten. Es kam vor, daß Offiziere bemüht waren, diesen Plünderungen Einhalt zu gebieten, doch Thea hörte davon, daß vor allem die Söldner in denDörfern den schlimmsten Schaden anrichteten und sogar die Glocken aus den Kirchen entwendeten, um sie einschmelzen und aus der Bronze Kanonenrohre gießen zu lassen.
    Die unbarmherzige Gier, die den Troßleuten in den Gesichtern geschrieben stand, betrübte Thea. Sie fragte sich, ob auch sie eines Tages mit den anderen ziehen würde, um den Menschen in den Dörfern ihre letzte Habe zu rauben.
    Soweit wollte sie es auf keinen Fall kommen lassen. Noch litt sie keinen Hunger, denn Conrad und Katharina sorgten für sie. Und sollten die Zeiten irgendwann schlechter werden, würde sie das tun, womit sie seit vielen Jahren ihr Überleben gesichert hatte: Sie würde ihren Körper verkaufen und damit ihre Seele retten.
     
    Am Abend, nachdem das Lager aufgeschlagen war, fand Thea zumindest ein wenig Zerstreuung, als Jöran Poutiainen Conrads Zelt aufsuchte, sich nach Martins Zustand erkundigte und allerlei Nachrichten und Gerüchte über die weiteren Ziele des Kriegsherrn Gustav Adolf vor ihnen ausbreitete.
    Thea hatte schnell begriffen, daß Poutiainen über die Dinge, die im Lager und in der Welt vor sich gingen, mehr Wissen besaß als die meisten anderen. Er pflegte den Kontakt zu einflußreichen Männern, die ihm Informationen anvertrauten, und kaum eines der zahlreichen Nachrichtenblätter, die im Troß verteilt wurden, konnte ihnen mehr über das verraten, was um sie herum vor sich ging und welche Auswirkungen es auf ihr Leben haben würde, als Jöran Poutiainen.
    Der Rittmeister machte keinen Hehl aus seiner glühenden Bewunderung für den schwedischen König. Er vergötterte Gustav Adolf wie einen Übermenschen und war fest davon überzeugt, daß der Löwe aus dem Norden von der göttlichen Gnade geleitet wurde.
    Thea, Conrad und Jöran Poutiainen hockten sich vor das Zelt um ein Feuer und teilten sich einen Krug Malvasier. Katharina hatte darauf verzichtet, sich zu ihnen zu setzen. Sie hielt sich in der Nähe des Wagens auf, wo sie mit einem Holzstab die Läuse aus den Säumen ihrer Kleider entfernte. Sie gab sich unbeteiligt, doch Thea vermutete, daß auch sie insgeheim jedes Wort genau hörte, das Poutiainens vom Wein gelockerte Zunge hervorbrachte.
    Der Finne sprach davon, daß sich die Fürsten Wilhelm von Hessen-Kassel, Georg Wilhelm von Brandenburg und Johann Georg von Sachsen schon bald dem schwedischen König anschließen würden. Die drei hatten sich lange geziert, ein Bündnis einzugehen, doch nach der schändlichen Zerstörung Magdeburgs und dem Anrücken von Tillys Armee sprach alles dafür, daß sie sich in der entscheidenden Phase des Krieges an die Seite Gustav Adolfs stellten. Nach Abschluß eines Bündnisvertrages würden die Schweden umgehend in die sächsischen Lande einrücken. Eine vereinigte schwedisch-sächsische Armee war dem kaiserlichen Heer zahlenmäßig überlegen, und doch glaubte Poutiainen nicht daran, daß die erwartete Konfrontation der beiden Armeen tatsächlich innerhalb der nächsten Monate erfolgen würde.
    »Welcher Feldherr mag schon die Folgen einer solchen Schlacht abwägen«, meinte der Rittmeister. »Gustav Adolf weiß, daß alles, was er bis jetzt erreicht hat, innerhalb weniger Stunden zu Asche zerfallen könnte. Wenn dieser Waffengang sich zu seinen Ungunsten entscheidet, wäre sein mühsam und kostspielig aufgestelltes Heer ruiniert. Statt dessen wird er versuchen, die Kaiserlichen in fruchtloses, verheertes Gebiet zu drängen und sie auszuhungern. Und Tilly wird eine ganz ähnliche Strategie verfolgen.«
    Conrad spuckte ins Feuer. »Was für ein erbärmlicher Krieg! Anstatt sich dem Gegner zu stellen, umschleichensich diese Armeen wie zwei rivalisierende Kater. Monatelang – ja vielleicht sogar über Jahre.«
    »Ich habe noch immer nicht begriffen, warum dieser Krieg überhaupt geführt wird«, mischte sich Thea ein.
    »Wir kämpfen für die Freiheit unseres Glaubens und gegen einen Kaiser, der dieses Land zu den papistischen Irrlehren zurückführen will.« Jöran Poutiainen schaute von Conrad zu Thea, als suche er in ihren Gesichtern Bestätigung.
    Conrad lachte zischend. Poutiainen runzelte ob seiner Reaktion die Stirn.
    »Kühne Worte«, sagte Conrad. »Und doch könnte ich mich beleidigt fühlen.«
    »Aus welchem Grund?«
    »Weil ich als Katholik getauft wurde und Eurer Meinung nach einer

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