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Der Glasmaler und die Hure

Der Glasmaler und die Hure

Titel: Der Glasmaler und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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er rasch zur Branntweinflasche und setzte sie sich an den Mund. Danach schloß er die Augen und tastete sich wie ein Blinder voran.
    »Da ist etwas«, raunte Conrad.
    Martin schrie nun nicht mehr, aber er keuchte heftig.
    »Hab ich dich endlich.« Der Feldscher grinste. Mit ruhiger Hand zog er einen kleinen Bleisplitter aus der Wunde. Er ließ das Metall in Theas Hand fallen und arbeitete konzentriert weiter. Conrad entfernte insgesamt vier weitere Splitter und zahlreiche Stoffetzen. Er untersuchte den Schußkanal eingehend, bis er sich davon überzeugt hatte, daß er vollständig gereinigt war.
    »Du hast gute Arbeit geleistet«, lobte ihn Thea.
    Conrad hob die Schultern. »Ob ich erfolgreich war, wird sich erst in den nächsten Tagen zeigen. Die Erfahrung hat mich gelehrt, daß ein Mensch nach einem solchen Eingriff entweder die letzte Kraft verliert und stirbt, oder das Fieber verschwindet aus seinem Körper, und er wird genesen. Sein Schicksal liegt nun in Gottes Hand.«
    Er langte nach einem Tiegel aus Ton, nahm den Deckel ab und strich die Wunden mit einer klebrigen Flüssigkeit ein.
    »Was ist das?« wollte Thea wissen.
    »Ein Digestivum, bestehend aus Eigelb, Oleum rossatum und Terpentin. Es wird helfen, eine Entzündung und eine allzu starke Schwellung des Fleisches zu vermeiden. Viele meiner Kollegen ziehen es vor, eine solche Wunde mit siedendemÖl auszubrennen, doch ich vertraue auf diese neuartige Methode. Glaub mir, sie wird ihm nicht zum Schaden gereichen.«
    »Oh, ich vertraue dir voll und ganz.«
    Conrad runzelte die Stirn. »Vorhin klang das aber noch ganz anders.«
    »Entschuldige.« Thea bedachte ihn mit einem Lächeln und küßte ihn auf die Stirn.
    Sie wuschen Martin den Schweiß vom Körper, verbanden die Wunde mit sauberem Leinen und breiteten eine Decke über ihn aus. Martin war nun wieder ruhig, hielt die Augen geschlossen und schlief. Thea sah das als ein gutes Zeichen an.
    Conrad räumte seine Instrumente zusammen, verstaute sie in einer Truhe aus Eichenholz und begab sich mit Thea unter das Zeltdach, das neben dem Wagen errichtet worden war. Katharina schlief, zusammengerollt in eine Decke, in einer Ecke.
    Es war Conrad anzumerken, daß ihn der Eingriff sehr angestrengt hatte. Er wirkte müde, und als er seine Pfeife entzündet hatte, sog er seufzend den Rauch ein und behielt ihn lange bei sich, bevor er ihn entweichen ließ.
    Thea nahm ihm die Pfeife aus dem Mund und genoß ebenfalls den würzigen Qualm, der für eine gewisse Beruhigung nach diesen aufregenden Stunden sorgte. Die Glut des Tabaks glimmte zwischen ihnen im Dunkel der Nacht.
    »Du bist so still«, meinte Thea, leise genug, um Katharina nicht zu wecken.
    »Ich denke darüber nach, was dich mit diesem Mann verbinden mag.« Eine weitere Rauchwolke strömte Conrad aus Nase und Mund. »Er ist nicht dein Ehemann, aber es ist offensichtlich, daß er dir sehr wichtig ist. Sag mir, habt ihr das Bett miteinander geteilt?«
    »Nein.«
    »Aber es gibt da etwas, was euch verbindet.«
    »Vor vielen Jahren war ich regelrecht vernarrt in ihn – den Sohn eines angesehenen Glasmalers.«
    »Und ich nehme an, er hat eine andere geheiratet.«
    »Hätte er die Tochter eines Fischers oder gar eine Hure zur Frau nehmen sollen?«
    »Es wäre dir schon recht gewesen, vermute ich.«
    Thea kicherte und knuffte Conrad in die Seite. »Was willst du mir einreden?«
    »Nichts, gar nichts«, entgegnete Conrad.
    Thea lehnte sich an Conrads breite Schulter und seufzte. Sie hatte den behäbigen Feldscher in der kurzen Zeit durchaus liebgewonnen und genoß den Umgang mit ihm, obschon er zuviel Wein trank.
    Es drängte sie danach, sich Conrad anzuvertrauen. Also beschrieb sie ihm ihre Enttäuschung über die Mißachtung, die Martin ihr entgegengebracht hatte, nachdem er davon erfahren hatte, daß sie sich als Hure anbot, und dann sprach sie auch über den Diebstahl des Medaillons, den sie zum Anlaß genommen hatte, Martin Fellinger und dessen Frau aufzusuchen.
    Conrad lächelte des öfteren verständnisvoll, doch seine Miene wurde ernster, als sie von der Erstürmung Magdeburgs erzählte, davon, was in Martins Haus geschehen war und wie sie ihn aus der brennenden Stadt gerettet hatte.
    »Glaubst du, er wird mich verfluchen für das, was ich getan habe?« fragte sie leise.
    »Du hast ihn vor dem Tod bewahrt«, meinte Conrad. »Doch wieviel mag ihm das Leben noch wert sein?«
    »Ich habe oft daran gezweifelt, ob es richtig war, daß ich ihn von seiner Frau

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