Der Glasmaler und die Hure
getrunken, bis er sich erbrochen hatte. Der Alkohol hatte den Schmerz um Sophias Verlust nicht gemildert, sondern nur dafür gesorgt, daß er sich noch elender gefühlt hatte.
»Vielleicht will ich meinen Schmerz nicht betäuben«, meinte Martin.
»Pah!« brauste Conrad auf. »Warum bemitleidest du dich nur immer selbst?«
»Weil ich allen Grund dazu habe.«
»Eines Tages wirst du in deinen eigenen Tränen ertrinken.« Conrad streckte seine Hand nach dem Becher aus. »Laß uns nicht weiter streiten. Wenn du nun schon nichtmit mir trinken willst, dann schenk zumindest weiter ein.«
Martin zuckte beiläufig mit den Schultern und setzte Conrad den Becher erneut an die Lippen. Der Feldscher hatte ihn schon fast geleert, als sie ein dringender Ruf erreichte.
»Conrad!« Katharina trat unter das Zeltdach. Sie stemmte ihre Hände in die Hüfte, und für einen Augenblick befürchtete Martin, daß Conrads garstige Schwester ihm bittere Vorhaltungen machen würde, da er dem Feldscher dabei half, sich zu betrinken.
Doch Katharina ersparte sich jeden Vorwurf. Statt dessen wies sie hinter sich und sagte: »Ein Bote des Rittmeisters Poutiainen ist eingetroffen und verlangt nach dir.«
»Was will er?« brachte Conrad mit schwankender Stimme hervor.
»Poutiainens Frau liegt in den Wehen. Das Kind kommt zu früh, und es scheint, als sträube es sich, den Leib zu verlassen.«
Conrad winkte ab. »Laß ihn nach einer Hebamme schicken.«
»Die Hebamme befindet sich schon seit Stunden am Kindbett und ist hilflos. Sie ruft nach einem Chirurgen.«
Martin maß den betrunkenen Conrad mit einem bedauernden Blick. »Dein Bruder ist wohl kaum in der Lage, der armen Frau zu helfen«, meinte er. »Man sollte einen anderen Arzt heranschaffen.«
Ein junger Mann trat neben Katharina, allem Anschein nach der Bote, der von Poutiainen ausgeschickt worden war.
»Der Rittmeister betonte ausdrücklich, daß ich diesen Mann zu ihm bringen soll.« Er deutete auf Conrad. »Ich werde nicht ohne ihn zurückkehren.«
Conrad richtete sich auf und taumelte dabei so stark, daßer sofort wieder hinfiel. Martin stützte ihn und half ihm auf die Beine.
»Ich werde ihn begleiten«, sagte Katharina. »Er kann ja kaum allein stehen.«
Conrad schüttelte den Kopf. »Du wirst zu Klara gehen und ihr ausrichten, daß sie zum Quartier des Rittmeisters kommen soll. Wir brauchen ihre Kräuter und Salben.«
Katharina schaute mürrisch drein und streckte einen Finger nach Martin aus. »Dann wird
er
mit dir gehen.«
Martin hätte liebend gerne darauf verzichtet, Conrad während einer komplizierten Geburt zu unterstützen, doch es war nicht zu übersehen, daß der Feldscher kaum einen Schritt vor den anderen setzen konnte. Also fügte er sich Katharinas Anweisung.
Conrad zog einen Schlüssel hervor, den er an einem Lederband um seinen Hals trug, und gab ihn Katharina.
»Schaff mir meine Instrumente herbei, bevor du dich auf den Weg machst.«
Katharina nickte und lief zum Wagen. Währenddessen nahmen Martin und der Bote den schweren Feldscher in ihre Mitte und schafften ihn nach draußen. Nicht weit entfernt stand eine einspännige Kutsche bereit, in die sie Conrad hineinzwängten. Der Feldscher sank stöhnend auf die Sitzbank und ließ einen lauten Wind fahren.
Katharina kam vom Wagen geeilt und drückte Martin eine schwere Ledertasche in die Hand.
»Möge Gott euch beistehen«, sagte sie.
Ohne eine Erwiderung drehte Martin sich um und stieg zu Conrad in den Wagen. Poutiainens Bote war inzwischen auf den Bock geklettert und ließ den Falben die Gerte spüren.
Es wurde eine unruhige Fahrt. Der Wagen preschte holpernd über den unebenen Grund. Bei so mancher Erschütterung stieß Conrad ein lautes Rülpsen aus und bliesMartin in der engen Kabine einen unangenehm sauren Dunst ins Gesicht.
Martin dachte an Thea und ärgerte sich über sie. Sie hätte sich an einem Wochenbett gewiß weitaus nützlicher machen können als er, doch anstatt Conrad zur Seite zu stehen, warf sie sich den Männern an den Hals.
Als die Kutsche hielt, schlief Conrad und schnarchte laut. Martin schüttelte den Feldscher, bis er aufwachte, und half ihm dann beim Ausstieg. Conrad war so schwer und steif, daß Martin den Kutscher zu Hilfe rufen mußte. Gemeinsam gelang es ihnen, den keuchenden und nach Luft japsenden Feldscher auf die Erde zu stellen. Martin langte nach der Ledertasche und stützte Conrad anschließend, um die letzten Schritte bis zu Poutiainens Zelt zurückzulegen.
Das
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