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Der Glasmaler und die Hure

Der Glasmaler und die Hure

Titel: Der Glasmaler und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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ausdruckslos an.
    Der Feldscher räusperte sich verlegen. »Nimmst es mir doch hoffentlich nicht krumm, daß ich von Zeit zu Zeit bei ihr liege?« Er lächelte versonnen. »Ihre Haut ist so weich wie die einer unschuldigen Prinzessin. Klara, die Hure, die ich üblicherweise besuche, ist fast so alt wie ich, und in ihrem Gesicht kann man mehr Falten zählen als in den verhärmten Zügen meiner Schwester.«
    »Du brauchst dich nicht vor mir zu rechtfertigen. Thea ist eine Dirne. Es steckt ihr im Blut, die Männer zu verführen, und die meisten lassen sich allzu leicht dazu verlocken, ihr zu folgen.«
    »Klingt so, als würde dich das wütend machen.«
    »Es ist mir egal. Selbst wenn sie es mit einem Ziegenbock treiben würde, wäre es mir gleichgültig. Sie ist nicht meine Frau.«
    »Ich weiß«, sagte Conrad und fügte dann leise an: »Deine Frau ist tot.«
    Martin schluckte trocken, und für einen Moment hinderte ihn die Trauer um Sophia an einer Antwort.
    »Du hast recht«, meinte er schließlich. »Meine Frau starb in Magdeburg.«
    »Das tut mir leid. Ich weiß nur zu gut, wie schwer ein solcher Verlust auf der Seele lastet. Vor mehr als fünfzehn Jahren raubte mir die Pest meine Frau und meinen Sohn. Ihr Tod hätte auch mich fast das Leben gekostet.« Er schaute traurig drein. »Und wenn ich ehrlich bin, hilft mir der Alkohol dabei, nicht nur die Schmerzen in meinen Gliedern zu vergessen.«
    Conrad gab Martin ein Zeichen und ließ sich einen weiteren Schluck Branntwein einflößen.
    »Thea hat mir gesagt, daß der Name deiner Frau Sophia war.«
    Martin verspürte nicht die geringste Lust, mit einem Betrunkenen über seine Frau zu sprechen. »Und was hat Thea dir sonst noch so alles erzählt?« wollte er wissen und ließ seinen Unmut deutlich herausklingen.
    »Verurteile sie nicht!« Conrad zog ungelenk eine Pfeife aus einer Tasche seines Wamses und reichte sie Martin, damit er sie für ihn mit Tabak stopfte. »Ich kenne Thea erst kurze Zeit, aber mir war sofort klar, daß sie eine äußerst tapfere Frau sein muß. Nur wenige hätten den Mut und die Kraft aufgebracht, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um dich inmitten der Flammen und Plünderungen aus Magdeburg herauszuschaffen.« Er lächelte. »Sie wirkt zierlich und zerbrechlich, aber wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, scheint sie zu wachsen, bis ihr die Stärke eines Riesen innewohnt.«
    Martin zündete die Pfeife an und sog zuerst selbst kurz den würzigen Rauch ein, bevor er sie Conrad in den Mund steckte.
    »Thea hat nichts in Magdeburg zurückgelassen, was ihr am Herzen lag«, sagte Martin. »Da wird es ihr nicht schwerfallen, sich in einer neuen Umgebung zurechtzufinden. Ich dagegen habe so viel mehr verloren. Man achtete mich als ehrbaren Glasmaler. Und meine Frau erwartete unser erstes Kind. War dir das bekannt?«
    Conrads Miene drückte überraschtes, ehrliches Mitgefühl aus. »Nein, Thea hat es nie erwähnt.«
    »Sie weiß nichts davon.« Martin blickte traurig in das Feuer vor sich. Ein Scheit brach in sich zusammen, und Funken loderten auf. »Mein Leben, wie ich es mir erträumt habe … und nun … zu Asche zerfallen.« Martin wischte sich eine Träne aus dem Auge und murmelte: »Sebastian hat es gewußt.«
    »Wer ist dieser Sebastian?«
    »Mein Bruder. Auch er lebte in Magdeburg. Es ist möglich, daß er im Dom vor den Brandmördern sicher war,aber ich befürchte, daß auch seine Asche in der Elbe treibt.«
    »Was hat dein Bruder gewußt?« fragte Conrad.
    Einen Moment lang herrschte Stille. Dann antwortete Martin: »Nicht Tilly hat Magdeburg zerstört, sondern die Verteidiger der Stadt – unsere Leute. Der Obrist Falkenberg, dem das Kommando oblag, hat Sprengminen in der Stadt anlegen lassen, um dem Feind keine Basis zu hinterlassen.«
    »Unfaßbar«, raunte Conrad.
    »Mein Bruder hat es mir gesagt – am Vorabend der Katastrophe. Aber was hätte ich schon tun können? Die Stadt wurde belagert. Es gab keine Möglichkeit zur Flucht. Ich konnte nur dort am Fenster meines Hauses stehen und hilflos mitansehen, wie die Säulen aus Rauch und Feuer gen Himmel schossen und unser herrliches Magdeburg der Asche preisgaben.«
    Conrad deutete auf den Branntwein. »Du solltest mehr davon trinken. Dieses herrliche Gesöff läßt nicht nur den körperlichen Schmerz vergessen.«
    »Darauf verzichte ich.« Der Anblick des lallenden, schwankenden Feldschers widerte Martin an. Vor einigen Tagen hatte er tatsächlich Trost im Wein gesucht und soviel

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