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Der Glasmaler und die Hure

Der Glasmaler und die Hure

Titel: Der Glasmaler und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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Quartier des Rittmeisters bestand aus einem breiten Hauptzelt und mehreren kleineren Unterkünften sowie zwei nahe gelegenen Pferdekoppeln. Sie wurden in das große Zelt geführt. Zahlreiche Lampen und Kerzen erleuchteten den Innenraum, der weitaus komfortabler wirkte als ihre eigenen kargen Unterkünfte. Den Boden hatte man komplett mit Rinderfellen ausgelegt und die Wände mit bunten Seidentüchern geschmückt. Das Mobiliar war aus poliertem dunklem Holz gefertigt. Nicht weit vom Eingang befanden sich mehrere Gestelle, auf denen prächtige Harnische und Koller sowie Säbel, Degen und Schwerter bereitgestellt waren.
    Der hintere Teil war mit einer Stoffwand abgetrennt worden. Martin vernahm von dort Stimmen und ein flehendes Wimmern. Zudem drang ein seltsamer Geruch an seine Nase, den er nicht recht zu bestimmen wußte.
    Jöran Poutiainen trat hinter der Stoffwand hervor. Martin war dem finnischen Offizier zuvor erst ein einziges Mal begegnet. Das lag zwei Tage zurück. Der Finne hatte einen ruhigen und höflichen Eindruck auf Martin gemacht, als erConrad aufgesucht und ihn um einige Kräuter gegen die Kopfschmerzen gebeten hatte, die seine Frau plagten. Nun jedoch wirkte Poutiainen alles andere als entspannt. Seine Augen blickten ihnen ängstlich und gehetzt entgegen, und auf seiner Stirn glänzte der Schweiß.
    Doch seine Miene hellte sich auf, als er Conrad vor sich sah.
    »Gott sei gelobt!« rief er aus. »Helft meiner Frau! Ich fürchte um ihr Leben.«
    Conrad gab nur ein Brummen von sich. Martin sah es Poutiainen an, daß er nun erst begriff, in welchem Zustand sich Conrad befand. Dennoch winkte er sie hinter die Stoffwand.
    Die Frau des Rittmeisters lag auf einer schmalen Bettstatt. Ihr Kopf wurde von mehreren Kissen gestützt. Ein hübsches, von verschwitzen blonden Haaren umrahmtes Gesicht wandte sich ihnen zu.
    Sie wirkte ausgezehrt und müde. Die Augen waren von dunklen Rändern gezeichnet. Der Schweiß klebte nicht nur auf ihrem Gesicht, sondern am ganzen Körper, so daß das Hemd an ihr wie eine zweite Haut klebte. Unter dem dünnen Stoff zeichneten sich deutlich die geschwollenen Brüste und der gewaltige kugelrunde Bauch ab. Auch der nach außen gedrückte Nabel war unter dem Hemd zu erkennen.
    Zwischen ihren gespreizten Beinen hockte eine junge Frau. Sie hielt in einer Hand einen kleinen Topf, in dem sich ein grünlicher Schleim befand, von dem zweifelsfrei der faulige Geruch ausging, der Martin schon beim Eintreten in die Nase gestiegen war. Die Frau tauchte zwei Finger in den Topf und verrieb den Brei auf der Vulva der Schwangeren.
    »Bist du die Hebamme?« fragte Conrad lallend.
    Die Frau schaute ihn nur fragend an.
    »Sie spricht eure Sprache nicht«, klärte Poutiainen den Feldscher auf.
    »Fragt sie, was sich in diesem Tiegel befindet.«
    Poutiainen wechselte einige finnische Sätze mit der Frau und sagte dann: »Es handelt sich um die zerstoßene Galle eines Stieres, vermengt mit pulverisierten Eselshufen. Sie sagt, es wird die bösen Kräfte schwinden lassen, die dem Kind den Geburtsweg versperren.«
    »Dreck! Nichts als Dreck!« ereiferte sich Conrad. »Die ser Aberglaube wird Eure Frau noch umbringen.« Er deutete auf die Hebamme. »Schafft sie fort, bevor sie noch schlimmeres Unheil anrichtet.«
    Poutiainen sprach in ruhigem Ton mit der Frau, worauf diese nur nickte, sich erhob und das Gemach verließ. Martin merkte ihr an, daß sie erleichtert war, nicht länger an diesem Ort bleiben zu müssen.
    »Sie wird draußen warten, falls Ihr sie doch noch brauchen solltet«, sagte der Finne.
    Conrad zog einen Schemel heran und ließ sich ächzend darauf sinken. »Nun, Herr Rittmeister, was verlangt Ihr von mir?«
    Poutiainen zog ein trauriges Gesicht. »Die Wehen sind zu schwach. Das Kind will nicht auf die Welt kommen. Die Hebamme ist ratlos.« Der Rittmeister sank neben seiner Frau auf die Knie und schluchzte jämmerlich.
    »Wie lautet der Name Eurer Frau?« wollte Conrad wissen.
    »Maija«, antwortete Poutiainen.
    »Spricht sie deutsch?«
    Der Rittmeister schüttelte den Kopf.
    »Gut, so wird sie nicht verstehen, wenn wir über Dinge sprechen müssen, die sie erschrecken würden.« Conrad rieb sich angestrengt über die Stirn. »Was mir vor allem Sorge bereitet, ist die Tatsache, daß ich kaum Erfahrung darin habe, Kinder auf die Welt zu bringen. Meines Erachtens sollte das Sache der Frauen bleiben.«
    »Aber wenn das Leben der Frau und des Kindes in Gefahrist, braucht es der Hilfe eines

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