Der Glasmaler und die Hure
Conrad«, sagte Thea leise. »Er ist ein Feldscher, und er hat dir das Leben gerettet. Zudem versorgt er uns mit Proviant und läßt uns auf seinem Wagen schlafen.«
»Und dafür gibst du dich ihm hin.«
»Wäre es dir lieber, ich würde für dich stehlen?«
»Warum für mich?« Aufgebracht warf er die Arme in die Höhe, und seinem Gesicht war anzusehen, daß ihm diese unbedachte Bewegung Schmerzen bereitete. Er schaute auf und fragte: »Warum kümmerst du dich um mich? Warum bist du hier, und wo befinden wir uns überhaupt? Wer sind all die Menschen in diesem Lager?«
Thea widerstand dem Impuls, ihn in die Arme zu schließen und erklärte ihm mit knappen Worten, wie sie ihn in seinem Haus in Magdeburg aufgefunden und aus der Stadt geschafft hatte. Dann berichtete sie ihm, daß sie auf die Vorhut der finnischen Söldner und auf Conrad gestoßen waren und daß sie sich inmitten des Trosses befanden, der dem schwedischen Heer folgte.
Martin lauschte schweigend und ausdruckslos ihren Worten, doch als sie geendet hatte, erkannte sie, wie verzweifelt er war.
»Sie ist tot, nicht wahr? Sophia ist tot.« Seine Stimme klang erstickt.
Thea nickte. Ihr Bericht hatte Martin erschüttert. In weiser Voraussicht hatte sie ihm verschwiegen, daß Sophia von den Plünderern geschändet worden war. Der Verlust seiner Frau setzte Martin auch so schon arg zu.
Martin nahm einen Stein vom Boden, betrachtete ihn und warf ihn dann in das Wasser. »Ich wollte allem ein Ende setzen, Thea. Ich bin in den Fluß gegangen, um den Bildern in meinem Kopf zu entfliehen. Der Tod erschien mir als sanfte Verführung. Fort von dieser Welt – untergehen und ins Dunkel hinabsinken wie dieser Stein. Aber sie läßt es nicht zu. Sophia dringt in meine Seele. Sie zwingt mich, weiterzuleben.«
Wieder schämte sich Thea dafür, daß sie Martin in dieser Verfassung allein gelassen hatte. Beinahe hätte er sich das Leben genommen, während sie bei Conrad lag.
»Auch ich habe erfahren, was es heißt, die liebsten Menschen zu verlieren«, sagte sie. »Aber im Leben fällt man oft zu Boden, steht auf und läuft weiter.«
Martin tastete nach seiner Wunde. »Ich werde mein Leben nicht fortwerfen, doch nicht, weil du es so willst, sondern weil ich die Mörder meiner Frau finden und zur Rechenschaft ziehen werde.«
Eine Weile versank er in Gedanken, dann sagte er etwas, das sie sehr erstaunte: »Es waren nicht die Kaiserlichen, die in mein Haus eingedrungen sind. Ich kannte zwei der Männer. Es waren Vettern von mir, Thea. Das ist es, was mich fast wahnsinnig macht. Sophias Mörder stammen aus meiner Familie. Mein Blut. Das bekomme ich nicht aus dem Kopf.«
Thea faßte seine Hand. »Wahrscheinlich sind auch diese Männer in Magdeburg gestorben. Es heißt, nur wenige konnten aus der Stadt fliehen.«
»Und wenn sie nicht tot sind?« Martins Miene verfinsterte sich. »Dieser Gedanke quält mich. Mein Vetter Rupert verfolgt mich in meinen Träumen. Er preßt Sophia an sich, und sein Auge funkelt teuflisch, wenn er die Waffe auf mich richtet. Mir ist, als sei ich verdammt, diese Bilder immer und immer wieder zu sehen, weil es nicht sein soll, daß ich ohne Sophia lebe.«
Er blickte Thea ernst in die Augen. Der Unmut, der in seinen Worten lag, war ihr nicht verborgen geblieben.
»Warum konntest du mich nicht an ihrer Seite sterben lassen? Es war meine Bestimmung.«
»Glaubst du das wirklich?« Thea verschränkte die Arme vor der Brust. Plötzlich war ihr sehr kalt. »Woher willst du wissen, daß ich dein Schicksal beeinflußt habe?« fragte sie. »Vielleicht bin ich dein Schicksal.«
Kapitel 8
Martin gewann mit jedem neuen Tag an Kraft. Zwar bereitete ihm so manche Bewegung noch höllische Schmerzen, doch immerhin setzte er seine Schritte mittlerweile sicherer, so daß das Humpeln kaum noch zu bemerken war. Thea und Conrad pflegten seine Wunde mit wohlriechenden Salben. Bald schon waren die Schwellungen verschwunden, und auch die Verfärbung der Haut verblaßte allmählich. Nachdem Conrad die Fäden aus der Wunde entfernt hatte, blieb allerdings eine häßliche Narbe zurück, ein Makel, der Martin für immer an den schrecklichsten Tag seines Lebens erinnern würde.
Auch wenn sein Fleisch heilte, wollten die trüben Gedanken nicht aus seinem Kopf weichen. Das Gespräch mit Thea hatte ihm die Todessehnsucht genommen, doch die bösen Träume verfolgten ihn auch weiterhin.
Während die schwedische Armee weiter nordwärts zog, hockte Martin zumeist auf
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