Der Glasmaler und die Hure
Mitte und flankiert sie mit seinen Reiterstaffeln.«
»Und wie wird der schwedische König ihm entgegentreten?«
»Er greift ein taktisches Konzept auf, das von den Niederländern am Ende des vergangenen Jahrhunderts entwickelt wurde. Die niederländische Armee besiegte eine Übermacht spanischer Truppen, indem sie die Infanterie nur zehn Glieder tief staffelte und großen Wert auf Feuerkraft und Beweglichkeit legte. Gustav Adolf indes hat diese Taktik weiterentwickelt und stellt die Reihen der Musketiere nur drei Mann tief. Die Schützen feuern im ersten Glied kniend, im zweiten gebückt und stehend im dritten. Sie ziehen sich zum Nachladen nicht zurück, wodurch Unruhe in den Reihen vermieden werden kann.«
»Also gewinnen die Musketiere in Gustav Adolfs taktischem Konzept an Bedeutung?« fragte Conrad.
»So ist es. Tilly wird die Schützen einzig an den Flanken seiner Tercios zum Schutz der Pikeniere einsetzen; Gustav Adolf hingegen läßt ihnen eine offensive Rolle zukommen. Zudem vertraut er einer leichten Artillerie und hat jedem Regiment mehrere bewegliche Dreipfünder zugeteilt, während Tilly seine Kanonen eingraben und starr in eine Richtung ausrichten läßt.«
»Aber wird das genügen?« gab Thea zu bedenken. »Diekaiserliche Armee steht doch seit Jahren im Feld und hat zahlreiche Schlachten geschlagen. Diese Erfahrung wird ihr Vorteil sein.«
Jöran Poutiainen schüttelte den Kopf. »Unsere Soldaten sind nicht so unerfahren, wie es scheint. Die meisten der älteren haben bereits an den polnischen Feldzügen teilgenommen. Sie wissen, was auf sie zukommt, und werden sich dem Feind tapfer entgegenstellen.«
»Doch über allem befindet sich Gottes Hand, die die Geschicke der Feldherren lenkt«, meinte Conrad. »Und darum sollten wir in dieser Nacht zum Herrn flehen, um seinen Beistand für den Sieg zu erbitten.«
Katharina zog eine Grimasse. »Glaubst du etwa, die auf der Gegenseite würden nicht ihre Gebete zu Gott schicken? Wahrscheinlich schmerzen dem himmlischen Vater schon die Ohren von all den Bitten und Anrufungen. Mich würde es jedenfalls nicht wundern, wenn er sich von diesem gottlosen Treiben längst abgewandt hat.«
»Und mich würde es nicht verwundern, wenn er dir deine lästerliche Zunge abfaulen ließe«, gab Conrad zurück. Er stierte ins Feuer und zuckte mit der Schulter. »Ich fürchte, am morgigen Tag wird das Schlachtfeld mit Blut getränkt werden, ohne daß eine Seite die Bataille für sich entscheiden kann. Beide Feldherren werden sich gebeutelt zurückziehen, ihre Wunden lecken und sich in den kommenden Monaten weiter gegenseitig durch das Land treiben.«
»Ich wünschte mir, ich könnte mit ihnen kämpfen«, sagte Martin plötzlich, der sich bislang recht still verhalten hatte.
»Warum solltest du das tun?« fragte Thea. »Du bist kein Soldat.«
Martin deutete in die Richtung, in der das Lager der Kaiserlichen vermutet wurde. »Unter den Männern dort halten sich viele auf, die in Magdeburg gewütet haben. Sie verdienen den Tod, und ich würde es gerne mit eigenenAugen sehen, wie sie von den Kanonen und den Musketen niedergestreckt werden.«
Conrad klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. »Sol che Worte will ich von dir nicht hören. Wir werden der Armee morgen folgen, um einigen dieser Tölpel das Leben zu retten und nicht, um sie zu töten. Hast du verstanden?«
Martin nickte bedächtig, aber seine Gedanken schienen in weite Ferne gerichtet zu sein. Kurz darauf erhob er sich und zog sich zurück.
Der Feldscher schaute Martin nach, dann wandte er sich an Thea. »Er macht dir Angst, nicht wahr? Der Haß steckt noch immer sehr tief in ihm. Ich befürchte, eines Tages könnte er sein Tod sein.«
Thea schüttelte traurig den Kopf. »Nein, ich glaube eher, er hält ihn am Leben.«
Im Morgengrauen erklangen die Rufe und Trommeln, die den Söldnern das Signal gaben, sich in ihren Regimentern zu sammeln. Durch die schwindenden Nebelschwaden strömten sie nun zu Tausenden durch das Lager und hielten Ausschau nach ihren Fahnen. Zahlreiche Korporäle und Rottmeister brüllten Befehle und drängten die Massen in ein scheinbares Chaos, das sich aber schon bald wie von selbst in eine lange geplante Ordnung auflöste, so daß die Männer in Reih und Glied zum Aufbruch bereitstanden. Die Schweden trugen als Erkennungszeichen Eichenlaub an ihren Hüten und Helmen. Die Sachsen hingegen schmückten sich mit farbigen Bändern und Schärpen, um im Getümmel des Kampfes Freund und
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