Der Glasmaler und die Hure
er mit einem Finger zum Wagen. »Dort, in einer Eichentruhe, befinden sich meine Instrumente. Katharina wird dir den Schlüssel geben. Ich möchte, daß du sie an dich nimmst.« Ein dünnes Rinnsal Wein floß aus seinem Mundwinkel und tropfte auf den Boden. »Die Zeit war zu kurz, um dich auszubilden, aber ich traue dir dennoch schon jetzt mehr zu als den meistenanderen Chirurgen.« Er schnappte nach Luft. »Such den Feldscher Albrecht Weitz auf! Du findest ihn hier im Troß. Sag ihm, daß ich dich geschickt habe und daß er dich das lehren soll, wozu ich nicht mehr in der Lage war. Er ist mir einen Gefallen schuldig.«
Conrad winkte Martin näher zu sich heran. Er beugte sein Ohr über die Lippen des Feldschers.
»Versprich mir, daß du dich um Thea kümmern wirst. Sie braucht dich.«
»Du hast mein Wort darauf«, sagte Martin.
Conrad lächelte matt, dann verzog er gequält das Gesicht und drehte sich auf die Seite. Martin legte seine Hand auf Conrads Schulter. Er wartete ab, bis Conrad eingeschlafen war, dann stand er auf und verließ das Zelt.
Conrad starb zwei Tage nach Martins Rückkehr. Martin, Thea und Katharina wachten die letzte Nacht über an seinem Lager. Der Feldscher sprach nicht mehr mit ihnen. Nur ein Stöhnen und Wehklagen war zu vernehmen. In den Morgenstunden schließlich verstummte er und schloß die Augen für immer.
Sie begruben ihn am Ufer der Isar. Martin war davon überzeugt, daß Conrad es sich so gewünscht hätte. Der Feldscher war sein ganzes Leben lang umhergezogen und den Wasserläufen gefolgt. Darum sollte er hier am Fluß seine letzte Ruhe finden.
Martin schaffte einen Priester herbei, der einige Psalmen rezitierte und eine kurze Totenpredigt sprach. Nachdem der Priester gegangen war, verweilten auch Thea und Katharina nur noch kurz an Conrads Grab und kehrten dann zurück zum Wagen. Martin indes verharrte eine Weile vor dem aufgeschütteten Erdhügel, hing seinen Erinnerungen an Conrad nach und spielte mit einem Schlüssel in seiner Hand. Katharina hatte ihm diesen Schlüssel am gestrigen Abend ausgehändigt. Er würde damit die Eichentruhe öffnen,in der sich Conrads wichtigster Besitz befand, der nun an ihn übergehen sollte.
Martin scheute sich davor, die chirurgischen Instrumente zu benutzen. Ihn quälte der Gedanke, daß er mit dem Mord an Wenzel gegen einen unausgesprochenen Kodex verstoßen hatte, der ihm das Recht nahm, es ernsthaft in Betracht zu ziehen, seine Ausbildung zum Wundchirurgen zu vollenden.
Nachdem er sich lange den Kopf über dieses Problem zerbrochen hatte und zu keiner Lösung gekommen war, lenkte er sich ab, indem er sich mit Eris zum Quartier des Rittmeisters Poutiainen begab, um die Stute ihrem rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben.
Auch nach all den Monaten hinkte Jöran Poutiainen noch auffällig und benutzte einen Stock, um mit dem steifen Knie seine Schritte zu setzen. Der Finne zeigte sich sehr verwundert über Martins Rückkehr und nahm betroffen die Nachricht von Conrads Tod zur Kenntnis.
Auch Maija ging es gut. Sie überraschte Martin damit, daß sie inzwischen recht passabel die deutsche Sprache beherrschte, und es war nicht zu übersehen, daß sie ihr zweites Kind erwartete. Ihr Sohn hatte sich prächtig entwickelt, krabbelte flink auf dem Boden herum und brabbelte die ersten Silben vor sich hin.
Als Martin Eris in die Koppel der Stuten schaffen wollte, hielt ihn Jöran Poutiainen zurück und machte Martin das Pferd zum Geschenk. Martin zeigte sich beschämt von der Großzügigkeit des Rittmeisters und meinte, er könne die Stute nicht annehmen, doch als Poutiainen ihm berichtete, daß einige seiner Soldaten ein Gestüt im Umland geplündert und mehr als zwanzig prächtige Pferde geraubt hatten, sah er ein, daß Eris kein großer Verlust für den Finnen bedeuten würde, und willigte ein.
So ritt er stolz auf seinem eigenen Pferd durch das Lager, um Meister Albrecht aufzusuchen, den Wundchirurgen,den Conrad auf dem Totenlager zu seinem neuen Lehrmeister erwählt hatte.
Es dauerte eine geraume Zeit, bis er Albrechts Quartier gefunden hatte. Doch schließlich stieß er auf einen Waffenschmied, dem Albrecht bekannt war und der ihm die Richtung wies.
Martin erreichte einen Wagen, an dem zwei Zelte aufgeschlagen waren. Er saß ab und ging auf den ersten Verschlag zu, aus dem ihm eine Frau entgegenkam, der die Tränen in den Augen standen. Sie hatte eine Hand an ihre rechte Wange gelegt, und aus ihrem Mundwinkel tropfte Blut.
Ein
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