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Der Glasmaler und die Hure

Der Glasmaler und die Hure

Titel: Der Glasmaler und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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streckte sich bis in den März. Dann taute die Schneedecke ab, und Martins Abschied aus Wittenberg rückte näher.
    In den sechs Wochen, die er in Sebastians Obhut verbracht hatte, war er endlich zur Ruhe gekommen. Die langen Gespräche mit seinem Bruder, eine regelmäßige Verpflegung und selbst die Gottesdienste, die er zuvor meist gemieden hatte, waren zum Quell seiner neuen Stärke geworden.
    Doch nun verspürte Martin den Drang, sich auf den Weg zu machen und zur schwedischen Armee zurückzukehren. Seine Gedanken waren bei Thea. Wie herrlich wäre es gewesen, sie in seiner Nähe zu wissen, mit ihr zu reden, ihr dabei in die dunklen Augen zu schauen und ihr Lachen zu hören. Martin vermißte auch Conrad und sogar die spröde Katharina. Würde der Feldscher ihm inzwischen den Mord an Wenzel verziehen haben?
    Eris tänzelte unruhig in ihrem Stall und schien ebenso begierig wie er darauf zu sein, die Reise fortzusetzen. Sebastian hingegen bedauerte Martins Entschluß, versorgte ihn allerdings mit großzügig bemessenem Proviant und entzündete mehrere Kerzen im Gotteshaus, um eine sichere Reise für Martin zu erbitten.
    Martin versprach seinem Bruder, daß es kein Abschied für immer sein würde, schwang sich dann auf Eris’ Rücken und machte sich auf den Weg. Eine neue Suche wartete auf ihn, aber nun war sein Ziel nicht der Tod, sondern die Menschen, die ihm am Herzen lagen.
    Martin überquerte die Elbe und ritt in südwestlicherRichtung auf Mainz zu, wo die Armee Gustav Adolfs ihr Winterlager bezogen hatte. In Erfurt erreichte ihn die Nachricht, daß die Schweden ihr Quartier abgebrochen hatten und auf die Donau zumarschierten. Es hieß, Gustav Adolf würde schon bald in die bayerischen Lande eindringen. Manch einer, von dem Martin eine Auskunft einholte, spekulierte bereits darüber, ob der schwedische König seine Armee direkt bis nach Wien führen würde, um dem geschwächten Kaiser vor den Toren seiner habsburgischen Residenz eine endgültige Niederlage beizubringen.
    Martin wandte sich also nach Süden, durchquerte das Vogtland und Franken und erreichte Ende April die ersten bayerischen Städte.
    In jedem Ort erreichten Martin neue Nachrichten über den Feldzug der schwedischen Armee. So erfuhr er, daß Gustav Adolf mit seinen Soldaten inzwischen die Donau überschritten hatte. Tilly war den Bayern mit einem eilig zusammengezogenen Heer zu Hilfe geeilt und hatte versucht, den Vormarsch der Schweden an den Ufern des Lechs aufzuhalten. Die schwedischen Kanonen hatten die unterlegenen Truppen des Kaisers jedoch rasch auseinandergetrieben, und der von einem Falkonettgeschoß getroffene Tilly war wenige Tage nach der Schlacht seinen Verletzungen erlegen.
    Es war nun sehr einfach für Martin, der schwedischen Armee zu folgen. Er ritt inmitten einer Schneise der Zerstörung, die sich auf einer Breite von mehreren Meilen durch die Landschaft zog und nicht nur zertrampelte Wege, Dreck und Abfälle hinterließ, sondern auch zahlreiche verheerte Ortschaften. Menschen sah er keine mehr. Vermutlich hatten die Dorfbewohner hinter den vermeintlich sicheren Mauern Münchens Schutz gesucht.
    Dann endlich erblickte Martin die Silhouette der bayerischen Hauptstadt und auch den riesenhaften Heerhaufen, der vor den Toren Münchens Quartier bezogen hatte.Der gewaltige Lagerkomplex beeindruckte Martin. Gustav Adolfs Armee und der ihr folgende Troß waren augenscheinlich auf die doppelte Größe angewachsen. Eine Streitmacht, wie sie die Welt wohl noch nie zuvor gesehen hatte, war hier versammelt worden. Martin mußte aber auch an die vielen Söldner denken, die nach Böhmen geströmt waren, um sich der Armee Wallensteins anzuschließen. Bahnte sich hier eine Schlacht an, gegen die sich die blutige Auseinandersetzung von Breitenfeld wie ein harmloses Geplänkel ausnehmen mochte?
    Daß sich das Gesicht dieser Armee verändert hatte, wurde Martin klar, sobald er Eris zwischen die ersten Zelte und Holzverschläge geführt hatte. Das Sprachengewirr, das vor seiner Abreise unter den Soldaten geherrscht hatte, war kaum noch zu bemerken. Die Mehrzahl der Landsknechte sprach Deutsch – gewiß eine Folge der umfangreichen Werbungen in den deutschen Landen. Alles in allem machten die Männer einen gesünderen und wohlgenährteren Eindruck auf Martin als noch vor einem halben Jahr. Die erfolgreiche Kampagne des Herbstes ermöglichte Armee und Troß einen gewissen Wohlstand, der ihm Hoffnung machte, daß Thea und Conrad den harten Winter

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