Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Glaspavillon

Titel: Der Glaspavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
Vom Netzwerk:
Umgebung aufgehalten haben, sollen eine Blutprobe abgeben, damit eine DNS-Analyse gemacht werden kann.«
    »Um den Vater festzustellen?«

    »Vielleicht.«
    »Und den Mörder?«
    »Es wäre kein zwingender Beweis.«
    »Trotzdem klingt es nach einem Schritt in die richtige Richtung.«
    »Das glauben wir auch.«
    Eine Weile gingen wir schweigend nebeneinander her.
    Inzwischen war außer uns niemand mehr auf dem Friedhof. Ich zwang mich zu fragen: »Und wie geht es Ihnen, Helen?«
    »Mir?« Offensichtlich hatte ich sie aus der Fassung gebracht.
    »Sie wissen sicher Bescheid, oder?« meinte sie zögernd.
    »Ja.«
    Helen machte halt und setzte sich auf einen Sockel, auf dem eine steinerne Urne stand, halb bedeckt von einem steinernen Tuch. Fast schuldbewußt blickte sie zu mir empor.
    »Was wollen Sie hören?«
    »Helen, ich verlange ganz bestimmt keine Rechtfertigung von Ihnen. Es interessiert mich nur, wie es Ihnen geht.«
    »Mir? Ich bin total verwirrt. Mein Leben ist völlig auf den Kopf gestellt.« Sie zog ein Papiertaschentuch aus der Tasche, faltete es mit kältestarren Fingern umständlich auseinander und putzte sich die Nase. »Ich verhalte mich unprofessionell. Ich zerstöre meine Ehe. Ich schwöre Ihnen, ich habe so was noch nie getan, und ich fürchte, Barry – das ist mein Mann – muß es früher oder später erfahren. Andererseits, so scheußlich das vielleicht klingt
    – ich bin gleichzeitig auch glücklich und finde alles furchtbar spannend. Na klar, das muß ich Ihnen ja nicht erzählen. Sie wissen selbst am besten, wie Theo ist.«
    »Ja.«
    »Auf einmal sehe ich viele Dinge ganz anders, entdecke neue Möglichkeiten. Ich fühle mich manchmal wie in einer Art Rausch.«
    »Was haben Sie vor?«
    »Meine Pläne ändern sich dauernd. Wahrscheinlich warte ich erst mal, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind. Dann sage ich meinem Mann, was los ist, ziehe aus, und irgendwann können Theo und ich zusammenleben.«
    »Hat Theo das gesagt?«
    »Ja.« Wieder blickte sie schuldbewußt zu mir empor.
    »Sie sehen nicht gerade aus, als würde Ihnen das gefallen.«
    »Es ist weniger eine Frage des Gefallens.« Ich ließ mich neben Helen auf der Kante des Sockels nieder, was äußerst unbequem war. »Sehen Sie, ich will Ihnen keine guten Ratschläge aufdrängen. Vielleicht haben Sie ja vollkommen recht, und es kommt wirklich so. Ich denke nur, Sie sollten vorsichtig sein mit der Familie Martello. Die Martellos sind faszinierend und äußerst anziehend, aber ich fürchte, manchmal führen sie einen auch an der Nase herum.«
    »Aber Sie gehören doch auch dazu.«
    »Ja, ich weiß, und alle Kreter lügen.«
    »Wie bitte?«
    »Nicht so wichtig. Ich weiß auch nicht, was ich sagen will. Machen Sie keinen Höhenflug ohne Fallschirm.
    Irgendwas in der Art.«
    »Aber Sie haben Theo geliebt, oder nicht?«
    »Woher wissen Sie das?«

    Sie antwortete nicht.
    »Passen Sie nur auf, daß Sie sich nicht Ihr Leben und Ihre Karriere kaputtmachen«, sagte ich.
    Sie sah mich an, mit einem Gesicht, das mich fatal an ein trauriges kleines Mädchen erinnerte. »Ich dachte, Sie würden mir einfach gratulieren, mir Glück wünschen oder so.«
    Auf einmal begann sie zu weinen, und ich nahm sie tröstend in den Arm.
    »Es ist so blöd und peinlich, daß ich es kaum über die Lippen bringe«, schluchzte sie. »Ich hatte diese Vorstellung, wir könnten Freundinnen sein, daß diese Geschichte uns irgendwie näherbringen würde.«
    »Aber, aber«, sagte ich und nahm ihr tränennasses Gesicht in die Hände. »Wir sind uns doch schon viel nähergekommen.«
    »Nein, ich meinte mehr als das. So wie Schwestern.«
    Ich drückte sie an mich. »Ich brauche eine Freundin mehr als eine Schwester«, flüsterte ich.
    Über das Zusammentreffen mit Alan hätte ich mir keine Sorgen zu machen brauchen; er wollte weder mich noch sonst jemanden sehen. Als ich wieder im Haus war, verkroch er sich wie ein riesiger Einsiedlerkrebs, dessen Schutzpanzer zerbrochen ist, in sein Arbeitszimmer. »Ich will schreiben«, sagte er nur.
    In der Küche und im Wohnzimmer wimmelte es von Trauergästen; manche kannte ich, andere sah ich zum erstenmal. Ich glaubte Lukes Adlernase und die hohen Backenknochen zu erspähen, aber was hätte er hier zu suchen gehabt? Auch Jim Weston kam angeschlurft; man sah ihm an, wie unbehaglich er sich in seinem engen braunen Anzug mit dem breiten Revers fühlte, in dem er wie ein entlassener Soldat wirkte. Er packte mich am Ärmel und murmelte irgend

Weitere Kostenlose Bücher