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Der Glaspavillon

Titel: Der Glaspavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Sieh mal, Jane, wir sind inzwischen über vierzig. Wir sollten lieber nett zueinander sein, anstatt uns voneinander zurückzuziehen. Wir gehören zusammen, wir und die Jungs.«
    Ich fuhr auf, als er unsere Söhne erwähnte. Sie hineinzu-ziehen war unfair.
    Er bemerkte nicht, wie ich mich verschloß. »Wir sollten wieder eine Familie sein. Findest du nicht auch?«
    Aber Claud ließ mir gar keine Möglichkeit zu antworten.
    Er erhob sich, ging um den Tisch herum und nahm mein Gesicht in seine Hände. Er wirkte weder aufgeregt noch ungehalten, sondern nur sehr entschlossen, als glaubte er, nachdem er alles geregelt hatte, könnte er jetzt auch noch rasch unsere Ehe wieder in Ordnung bringen. Er stand viel zu dicht vor mir, ich konnte ihn nicht klar sehen und roch in seinem Atem nur Wein und Knoblauch. Ich stieß ihn weg.
    »Nein, Claud, hör auf. So einfach geht das nicht.« Ich zitterte. »Es ist meine Schuld. Du hast recht, wir sind uns in letzter Zeit wieder nähergekommen und haben uns gut verstanden. Und als ich dich zu mir einlud, hast du natürlich gedacht …«
    »Sei still. Kein Wort mehr.« Zwei hektische rote Flecken erschienen plötzlich auf seinem blassen Gesicht. Er nahm seinen Mantel. »Kein Wort. Jetzt nicht. Denk einfach darüber nach, ja? Ich will nichts überstürzen und dich nicht in Panik versetzen.« Als wäre ich ein scheues Tier, das man vorsichtig anlocken mußte. Einen Augenblick lang stand er in der Tür.
    »Auf Wiedersehen.« Er zögerte. »Liebling.«
    Ich habe nicht das geringste Verlangen gespürt, dachte ich, als ich die Teller wegräumte. Nichts, absolut nichts.
    Statt dessen hatte mich so etwas wie hoffnungsloses Entsetzen gepackt: Ich konnte mein altes Leben nicht einfach wieder aufnehmen, als hätte ich nach einer bewältigten Midlife-crisis mein Gleichgewicht zurückgewonnen. Claud hatte recht, wir waren über Vierzig. Aber ich kam mir gar nicht so vor.

    »Es tut mir leid, daß ich mich verspätet habe.«
    Caspar nahm mir gegenüber Platz.
    »Ich bin selbst gerade erst gekommen.«
    Wir waren übertrieben höflich zueinander. Ich reichte ihm die Weinliste, die er vorsichtig entgegennahm, damit sich unsere Finger bloß nicht berührten.
    »Ich habe einen Pinot Noir bestellt.«
    »Gut«, sagte er. »Sollen wir auch noch was zu trinken bestellen?« Er sah auf, und unsere Blicke begegneten sich.
    »Hat dir mein unwiderstehlicher Humor nicht gefehlt?«
    Mißbilligend schüttelte ich den Kopf. »War das etwa eine Kostprobe?«
    »Na ja, ich bin ein bißchen aus der Übung.«
    Der Kellner brachte den Wein. Wir tranken ihn ernst und in kleinen Schlucken. Ich zündete mir eine Zigarette an.
    Meine Hände zitterten ein wenig. Caspars Gesicht verfinsterte sich.
    »Möchtest du lieber, daß ich stocksauer werde und dich frage, weshalb du mich erst ohne Erklärung sitzenläßt und dann aus heiterem Himmel wieder anrufst?«
    »Fragen kannst du gern. Aber bitte nich stocksauer.«
    »Wie geht es dir, Jane?«
    Während der Wochen, in denen ich auf Distanz zu Caspar gegangen war, hatte ich vergessen, wie aufmerksam er war. Als er mich anblickte, hatte ich das Gefühl, daß er mich wirklich sah. Wenn er mich fragte, wie es mir ging, wußte ich, daß dies keine leere Floskel war, sondern daß er es wirklich wissen wollte. Ich holte tief Luft.
    »Ich glaube, nicht sehr gut.«
    Er nickte. »Ist das Interesse der Presse abgeflaut?«
    »Ja, ein wenig. Aber der Prozeß ist in einer Woche.
    Dann wird’s vermutlich noch mal schlimmer.«
    »Mußt du aussagen?«
    »Wahrscheinlich nicht. Es sei denn, Alan besinnt sich anders und widerruft sein Geständnis. Dann hängt alles von mir ab.«

    »Erzählst du mir davon?« Er hatte seine Frage genau richtig formuliert. Hätte er gesagt: » Möchtest du mir davon erzählen?«, hätte ich den Eindruck gehabt, er wolle mir seine Hilfe anbieten, und mich vor ihm verschlossen.
    So aber erkannte ich, daß ich ihm liebend gern erklären wollte, was ich in den zurückliegenden Wochen erlebt hatte. Eigentlich hatte ich mir selbst all das Geschehene noch nicht richtig klargemacht. Ich brauchte das Gespräch dringend.
    »Es tut mir leid, daß ich dich nicht angerufen habe«, sagte ich spontan.
    Caspar lächelte. »Freut mich, daß es dir leid tut, aber es ist schon in Ordnung«, erwiderte er. Er setzte seine Brille auf und studierte die Speisekarte. »Laß uns ein paar Dips und Oliven bestellen. Ich hab seit dem Frühstück so gut wie nichts gegessen.«
    Ich vertraute Caspar

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