Der Glaspavillon
Blumen mitbrachte, mich nie in meinem Redefluß unterbrach und auch nie vergaß, mir Kompli-mente zu meinem Äußeren zu machen. Immer war er bemüht, Streit zu vermeiden, und wenn er doch einmal anderer Meinung war, blieb sein Ton dennoch höflich und behutsam. Er brachte mich damit fast zu Raserei. Erst als unsere beiden Söhne geboren waren, wir eine Hypothek und einen großen gemeinsamen Freundeskreis hatten, ließ seine Anspannung nach. Allerdings bezweifle ich, daß er sich meiner je wirklich sicher fühlte, denn er hatte immer große Angst, mich zu verprellen und zu verlieren.
Aber eines Tages passierte es dann natürlich, und vielleicht verlor er mich, weil er sich mir nie ganz öffnen konnte. Seine Liebe und seine Stärke hatte er mir gezeigt, mich aber nicht an seinen Ängsten und Unsicherheiten teilhaben lassen. Er hatte sich zu sehr bemüht, Stärke zu zeigen. Jetzt, in seiner neu erwachten Besorgtheit, hielt er mich über alle neuen Entwicklungen auf dem laufenden.
Er erzählte mir, wie Theo, Jonah und Alfred und ihre Frauen und Kinder mit der Situation umgingen. Er ließ mich sogar wissen, was sie über mich sagten. Allerdings informierte er mich nie vollständig – ich spürte, wie er alle Bitterkeit ausblendete, die sie mir gegenüber empfanden.
»Und was ist mit Alan?« fragte ich ihn bei einem seiner ersten Besuche.
»Er schweigt«, erwiderte Claud. »Er redet mit niemandem.«
Die Vorstellung, daß sich Alan – den ich von jeher als Menschen mit unstillbarem Rededrang kannte – in Schweigen zurückzog, war irgendwie beängstigend. Ich stellte mir vor, wie seine Gedanken gegen diese Mauer anrannten.
Je näher der Prozeßtermin rückte, desto verwundbarer und wehrloser fühlte ich mich. Eines Tages wurde ich ohne mein Wissen auf dem Weg zum Einkaufen fotografiert. Das Foto erschien später unter der Überschrift: »Die Frau, die ihr Gedächtnis zurückge-wann.« Zwar gab es juristische Bestimmungen darüber, was im einzelnen über mich geschrieben werden durfte, aber das hielt die Journalisten nicht davon ab, medizinische Beiträge über Fälle von wiederhergestelltem Erinnerungsvermögen zu veröffentlichen. Klatschreporter schrieben über die mit einer solchen Therapie einher-gehenden Probleme und berichteten über betroffene Familien und die Schwierigkeiten, mit denen ein berühmter Schriftsteller beim Älterwerden zu kämpfen hatte.
Trotz verzweifelter Anstrengungen ließ Alan sich nicht überreden, einen Anwalt zu nehmen, und lehnte auch sonst jede juristische Hilfe ab. Er berief sich auf sein Geständnis. Nein, er wolle sich nicht verteidigen und würde auch niemandem gestatten, die Verteidigung für ihn zu übernehmen. Befürchtungen wurden laut, daß es sich vielleicht um einen üblen Trick handelte und Alan das Geständnis im letzten Moment doch noch widerrufen würde. Zweimal wurde ich in ein enges Büro in der Nähe der Fleet Street bestellt, wo ich einem konventionell gekleideten jungen Mann und einer Frau Rede und Antwort stehen mußte. Die beiden waren besonders daran interessiert, wie ich an die Tagebücher herangekommen war und wie sich meine Sitzungen bei Alex Dermot-Brown im einzelnen abgespielt hatten. Fast alle meine Äußerungen riefen nervöses Geflüster und ernste Mienen hervor.
»Gibt es irgendwelche Probleme?« fragte ich.
»Es erhebt sich die Frage, ob das als Beweis zulässig ist«, antwortete der junge Mann. »Aber darüber müssen wir uns den Kopf zerbrechen, nicht Sie.«
Claud benahm sich, als könnte er allein mit Willenskraft alles wieder in Ordnung bringen. Er war der einzige, der sich mit allen seinen Brüdern traf. Außerdem führte er Gespräche mit Jerome und Robert und spielte Squash mit Paul. Auf diese Weise nährte er die Illusion, zwischen den Cranes und den Martellos herrsche nach wie vor paradie-sische Eintracht. Auch Dad besuchte er mehrmals. Ich vermute, sie konnten jetzt, nachdem Claud und ich in Scheidung lebten, besser miteinander reden als vorher.
Selbst mit Peggy traf er sich, obwohl sich die beiden eigentlich nie sonderlich gut verstanden hatten, und beantwortete ihre Fragen.
»Daß Paul und sie geschieden sind, ist noch lange kein Grund, sie auszuschließen. Schließlich kennt sie Alan viel besser als Erica.«
Was er wohl tat, wenn er in sein kleines, penibel sauberes Apartment zurückkehrte? Womit vertrieb er sich die Zeit, wenn keine Aufgaben auf ihn warteten? Ob es jemanden gab, mit dem er über sich selbst sprach? Ich sah ihn
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