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Der Glaspavillon

Titel: Der Glaspavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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beruflicher Verpflichtungen, Krankheit, Sex, Enttäuschung, Müdigkeit oder sonst etwas versäumt werden.
    Natürlich dürfen Sie die Therapie jederzeit abbrechen, ich meine aber, Sie sollten sich selbst dazu verpflichten, mindestens vier oder fünf Monate dabeizubleiben. Und sich außerdem einschärfen, der Sache wirklich eine Chance zu geben. Ich meine, emotional und rational. Ich weiß, daß Sie klug sind und wahrscheinlich im Gegensatz zu mir erst vor kurzem Freud gelesen haben. Wenn Sie hier aber über den Vorgang der Übertragung diskutieren wollen, woran ich ohnehin nicht glaube, verschwenden wir beide unsere Zeit und Sie darüber hinaus Ihr Geld. So.
    Noch Fragen?«
    »Wird es so sein wie heute?« fragte ich. »In der Küche sitzen und plaudern, bei einer Tasse Kaffee?«
    »Nein. Das hier ist, wie Sie gerade gesagt haben, nur eine Plauderei, bei der wir die Regeln festlegen. Wenn wir einsteigen, müssen wir raus aufs Spielfeld und richtig loslegen. Meiner Ansicht nach geht das nur, indem wir den ganzen Vorgang ritualisieren, mit anderen Worten, er muß sich von Ihrem normalen Leben abheben. Also, wenn Sie wirklich einsteigen wollen, dann ist es das nächste Mal ganz anders. Die nächste Sitzung wird in einem Therapie-raum stattfinden.« Er gebrauchte das Wort »Therapie«, als wäre es etwas unhandlich und er würde es gerne vermeiden. »Es hat nichts mit einem gesellschaftlichen Ereignis zu tun. Wir werden keinen Kaffee trinken und auch nicht plaudern. Sie liegen auf einer Couch, nicht weil das ein psychoanalytisches Requisit ist, sondern weil es eben nicht so sein soll wie heute – gemütlich, anregend, von Angesicht zu Angesicht. So, und jetzt möchte ich, daß Sie nachdenken, was Sie wollen, und mich dann anrufen.«
    »Ich weiß es bereits. Ich möchte beginnen. Und wenn ich mit dem Verlauf nicht zufrieden bin, höre ich auf, garantiert.«
    Alex lächelte und streckte mir die Hand hin.
    »Ich gehe sicher recht in der Annahme, daß ich von Ihnen keine noch deutlichere Verpflichtungserklärung bekomme. In Ordnung, abgemacht.«

    7. KAPITEL
    Nachdem ich das Scheidungsgesuch unterschrieben und eine Eheberatung abgelehnt hatte, radelte ich an jenem klaren, kalten Tag Richtung Londoner Norden zur Baustelle meines Wohnheimprojekts, das mir, wenn ich nur daran dachte, schon Bauchschmerzen verursachte.
    Ursprünglich hatte ein neues Gebäude errichtet werden sollen mit fünfzehn Wohneinheiten für aus dem Krankenhaus entlassene geistesgestörte Patienten. Diese bedurften jedoch der Aufsicht, auch wenn es nur darum ging sicherzustellen, daß sie regelmäßig ihre Medikamente einnahmen. Ich legte einen ansprechenden, funktionalen und kostengünstigen Entwurf vor, der auf der Stelle abgelehnt wurde, was mich nicht sonderlich erstaunte.
    Plan B sah den Umbau eines besetzten Hauses vor, das seit zwei Jahren ohne Dach war.
    An der Baustelle wurde ich bereits von zwei Männern und einer Frau erwartet. Meine Freundin Jenny vom Sozialdienst sah – wie immer – erschöpft aus. Sie stellte mich Mr. Whittaker vom Gesundheitsamt und Mr. Brady vom Wohnungsamt vor.
    »Wieviel Zeit haben Sie?« fragte ich.
    »Ungefähr minus zehn Minuten«, erwiderte Jenny.
    »In Ordnung, dann also der kurze Rundgang. Übrigens wäre alles etwas einfacher, wenn ich nicht bei jeder Besprechung mit neuen Gesichtern konfrontiert würde.«
    Ich führte sie bis unters Dach – hätte es denn eins gegeben. Nun arbeiteten wir uns von oben nach unten vor, umrissen die wichtigsten Renovierungsarbeiten, die wesentlichen Reparaturen, sprachen über den Notausgang an der Gebäuderückseite und die raffinierten Angleichun-gen, die ich in den Gemeinschaftsbereichen und Korri-doren vorgenommen und durch die das Haus zusätzlich an Raum gewonnen hatte.
    »So, das ist es«, sagte ich, als wir wieder an der Eingangstür angekommen waren. »Es ist nicht nur eine geniale und praktische Lösung, sondern auch eine, die sich finanziell rentiert.«
    Mr. Brady lächelte beklommen.
    »Da mag etwas dran sein, und ich kann nur hoffen, daß die Rechnungsprüfer bei der Kalkulation Ihre Argumente berücksichtigt haben.«
    »Keine Sorge, Mr. Brady«, sagte ich. »Am Tag des Jüngsten Gerichts bekommen wir alle die Rechnung präsentiert.«
    Mr. Brady und Mr. Whittaker wechselten einen Blick.
    Ich fand es etwas irritierend, daß immer mehr Verwal-tungsbeamte jünger waren als ich.
    »Jane, ein genialer Entwurf, wirklich. Wir sind sehr zufrieden. Die Sache hat nur einen Haken:

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